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Mark Bredemeyer

Mark Bredemeyer

Titel: Mark Bredemeyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Runenzeit 1- Im Feuer der Chauken (German Edition)
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reichten. Die stellenweise mit Silbergras, Kriechweiden und Sanddornbüschen bewachsenen Weserdünen existierten in meiner Zeit nicht mehr und boten einen faszinierenden, unvergleichlichen Anblick. Die sanft geschwungenen Hügel mit dem feinen Sand, der mich kurz wehmütig an Puderzucker erinnerte, glichen den weitläufigen Dünen auf den ostfriesischen Inseln oder an der Ostsee. Doch Jahrhunderte von Hochwassern und zunehmende Bodennutzung würden diese Landschaft unwiederbringlich verschwinden und nach und nach zu Ackerboden werden lassen.
    »Wie werden wir über den Wiesenfluss kommen?«, fragte ich Skrohisarn, als der glitzernde Strom bereits in Sichtweite war. Es war schon Abend und ich schätzte, dass es nur noch einige Stunden hell sein würde.
    »Oh, es gibt Fährmänner hier, keine Sorge. Sie kommen von stromaufwärts und lassen sich mit der Strömung treiben. Wenn Leute am Ufer stehen und ihnen ein Zeichen geben, dann staken sie an Land und nehmen einen mit.«
    Das ist ja fast wie auf ein Taxi zu warten , schoss es mir durch den Kopf. Und so positionierten wir uns gut sichtbar auf einer Sanddüne.
    »Glaubst du, dass heute noch jemand hier vorbeikommt?«, fragte ich skeptisch.
    »Sicher bin ich mir nicht, aber der Hochthingplatz, wo die Zusammenkunft stattfindet, ist nicht weit flussabwärts. Aus allen umliegenden Chaukengauen sowie den Gebieten der Nachbarstämme kommen in diesen Tagen Menschen hierher. Der Fluss müsste eigentlich wimmeln vor Betriebsamkeit …«
    Das hielt ich allerdings für stark übertrieben. Skrohisarn hatte keine Ahnung davon, was ich unter »wimmeln« verstand. So wimmelte es zum Beispiel an einem Sonnabendnachmittag vor dem Eingang der Ostkurve des Weserstadions, wenn Werder spielte. Oder in der Innenstadt einer beliebigen deutschen Großstadt einen Tag vor Weihnachten. Aber ich hatte angefangen, die Welt um mich herum mit anderen Augen zu betrachten, versuchte Dinge wiederzuerkennen – Namen, Flüsse, was auch immer. In diesem Zusammenhang schoss mir ein anderer Gedanke durch den Kopf: Konnte vielleicht der Name des Bremer Ortsteils »Huchting« noch ein Überbleibsel aus dieser Zeit sein? Konnte sich die enorme überregionale Bedeutung eines solchen Platzes tatsächlich über Jahrtausende erhalten? Ich wusste es nicht. Dagegen sprach, dass Huchting später einmal auf der westlichen Weserseite angesiedelt sein würde, wir jetzt aber auf die Ostseite überwechseln würden. Allerdings wusste ich auch, dass der Lauf der Weser im Verlaufe der Jahrhunderte sehr stark schwanken würde. Erst nach Eindeichung und Begradigung konnte sie gezähmt werden und blieb seither konstant in ihrem Bett.
    Von den zurückgelegten Entfernungen würde es aber ungefähr passen , sinnierte ich weiter. Und auch der Name sprach eindeutig dafür: Die Chauken nannten sich in ihrer eigenen Sprache ja auch nicht Chauken, sondern sprachen es eher als »Ha-uogas« aus, also schlicht »die Hohen«. »Ha-ug« wurde im Laufe der Jahrhunderte zu »hoog«, im Hochdeutschen dann zu »hoch«.
    Eindeutig steckte das Wort »hoch« in »Huchting«! Bedeutete »Huchting« also »Thing der Chauken«?
    »Siehst du, hab ich doch gesagt!«
    Skrohisarn riss mich aus meinen Gedanken und ich schaute flussabwärts. Ein langbärtiger, unbewaffneter Mann – der seine Haare auf Ohrenlänge gestutzt hatte – sowie ein Pferd liefen am sandigen Ufer entlang. Sie zogen ein Floß an einem langen Seil gegen die Strömung flussaufwärts. Die braunen Beinlinge des Fährmanns waren von den Füßen bis zu den Knien mit dunklen Lederriemen umwickelt, um ein wenig Schutz vor dem feuchten Boden zu bieten. Immer wieder blähten leichte Windstöße seinen dünnen Umhang auf, der von einer der hier üblichen Spangen an der linken Schulter zusammengehalten wurde.
    »Der hat ganz sicher gerade jemanden zur Hegirowisa, dem Thingplatz, gebracht! Und wahrscheinlich schafft er es heute sowieso nicht mehr nach Hause. Er wird uns mitnehmen!«
    Und Skrohisarn lag mit dieser Einschätzung richtig.
    Nach Klärung der Gegenleistung, die Skrohisarn für die Fahrt erbringen sollte, einen mit Bier gefüllten Getränkeschlauch aus Schweinedarm, ging es ans Verladen. Allerdings stellten sich die Tiere als Problem heraus. Der Ochse scheute stark vor dem Betreten des wackeligen Floßes. Obwohl dieses aus massiven Baumstämmen gefertigt war und eigentlich recht stabil im Wasser lag, mochte er es nicht besteigen.
    »Können die Tiere nicht hinüberschwimmen?«,

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