Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mark Bredemeyer

Mark Bredemeyer

Titel: Mark Bredemeyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Runenzeit 1- Im Feuer der Chauken (German Edition)
Vom Netzwerk:
dachte ich an Bruno zurück, mein Zuhause, Julia. Nach und nach rückten diese Dinge aber in weite Ferne, sie schienen so unerreichbar geworden! Dazu hatten sicher auch der harte Alltag in der Schmiede und mein unbedingter Wille, einfach nur zu überleben, beigetragen, komme, was da wolle!
    Die ersten Tage bei Skrohisarn waren total unwirklich gewesen, seine ganze Lebensart so fremd und anders: rauer, direkter, spürbarer. Alle Eindrücke waren sehr intensiv, da neu und so unmittelbar. Das Schlafen auf dem Boden war kalt und hart, das Essen fad und scheußlich, die Gerüche streng und manchmal unerträglich. Die Luft im Haus war kaum zu atmen, die draußen dagegen so rein und frisch und feucht, wie ich sie noch nicht erlebt hatte, das Wasser im Bach von einer Frische und Sauberkeit wie ein Glas Leitungswasser.
    Der Nachthimmel war pechschwarz und Myriaden von Sternen waren sichtbar. Es gab keine Lichtverschmutzung durch Millionen von elektrischen Lampen, die die Dunkelheit verwischten. Der Himmel bei Tag war, wenn er denn zwischen den grauen Wolken erschien, von einem satten, dunklen Blau, zu dem die vorbeiziehenden weißen, dicken Quellwolken einen scharfen Kontrast bildeten.
    Die Natur erwachte langsam, aber spürbar und die Fülle des frischen, hellen, jungen Frühlingsgrüns hob meinen Geist aus der Tiefe und Dunkelheit der in mir schlummernden Verzweiflung. In jenen Momenten fühlte ich mich wie neugeboren, nur um im nächsten Augenblick in ein noch tieferes Loch zu fallen und alles zu vermissen, was mir bekannt und lieb war. Was hatte Julia getan, als sie entdeckte, dass ich verschwunden war? Hatte sie eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgegeben? Was war aus meinem Bruno geworden? Hoffentlich hatte Julia ihn mit zu sich genommen …
    Sehr früh morgens konnten Skrohisarn und ich das zahlreiche Wild beobachten, wie es sich am Bach tummelte und trank. Einmal waren sogar Elche dabei und ich war fasziniert von ihrer Größe, ihren gigantischen Schaufelgeweihen und der unbändigen Kraft, die sie bei jeder ihrer Bewegungen ausstrahlten. In einer Nacht hörten wir aus einiger Entfernung deutlich vernehmbares Wolfsgeheul. Mir lief dabei ein kalter Schauer über den Rücken. In der Nacht, als ich allein im Wald schlief, war ich noch davon ausgegangen, dass es hier keine wilden Tiere gab. Aber Skrohisarn winkte ab und erklärte mir wortreich und mit viel Gestik, dass die Wölfe so gut wie nie in diese Gegend kamen, da sie die Menschen mieden.
    In den ersten Wochen lernte ich außerdem, die beiden Kühe und die Ziegen zu melken sowie das Vieh morgens in die Koppel zu treiben und abends wieder im Haus zu vertäuen.
    Wirklich schlimm wurde mit Fortschreiten des Frühlings die Belästigung durch Fliegen, Mücken und anderes Getier im Haus. Auch Mäuse sah ich ständig durch kleine Lücken im Lehmwerk raus und rein laufen. Skrohisarn störte dies nicht weiter, ebenso wenig wie die ewig rauchgeschwängerte Luft. Einen Abzug für das Torffeuer gab es nicht, es brannte offen und der Rauch entwich direkt durch das Reetdach sowie das Giebelloch an der Frontseite.
    Die Hauptarbeit beim Treiben des Viehs erledigte Dyr, mit dem mich schon nach wenigen Tagen eine tiefe Freundschaft verband. Auch das Wasser richtig aus dem »Nithana Brok« [9] , wie Skrohisarn den Bach nannte, zu holen, war gar nicht so schwer, wenn man wusste, wie der lange Holzstab zu gebrauchen war.
    Skrohisarn legte viel Wert darauf, täglich an verschiedenen Stellen kleinste Opfergaben zu deponieren. So stellte er Schälchen mit Brei am Bach oder am Feuer auf, warf in eine eigens dafür ausgehobene Kuhle winzige Stücke ausgetriebenen Eisens mit Brot oder wedelte einfach Rauch in den Himmel. Dabei murmelte er stets einige unverständliche Sätze. Ich hatte es aufgegeben, mich über irgendwas zu wundern, also gesellte ich mich bei diesen Anlässen andächtig zu ihm, insbesondere um ihm meine Verbundenheit zu zeigen. Ich spürte, wie glücklich ihn das machte und dass es eine Bedeutung für ihn hatte. Nach und nach verstand ich, dass er allem, was von elementarer Wichtigkeit für sein Leben und Dasein war, mit kleinen Gaben huldigte: der Luft, die er atmete, dem Trinkwasser des Baches, dem Feuer seiner Schmiede.
    Auch die erwachende Natur in diesem Frühling war ihm eine besondere Aufmerksamkeit wert – insbesondere ein prächtiger, bereits blühender Haselnussstrauch an der Viehkoppel sowie ein uralter, knorriger Schwarzer Holunder, der direkt an seinem Haus

Weitere Kostenlose Bücher