Mark Tate - 012 - Nachts gruselt's sich leichter
ausrichten könnte.
Auf den Wagen verzichtete er. Im Schutze der Dunkelheit verließ er den Ort und lief den unzugänglichen Weg entlang. Eine Taschenlampe hatte er mitgenommen, doch er gebrauchte sie jetzt noch nicht, weil er befürchtete, von weitem schon gesehen zu werden.
Bevor er die letzten Häuser des Dorfes hinter sich gelassen hatte, wandte er sich noch einmal um.
Er erstarrte.
Der Friedhof lag auf der anderen Seite von Bredhouse, und von hier aus konnte man ihn nicht sehr gut übersehen. Dennoch erkannte er die Irrlichter, die dort umhertanzten. Auch die drohende Gewitterwolke, die darüber schwebte, entging ihm nicht. Donner grollte. Der junge Mann zuckte zusammen.
Was ging dort drüben vor?
Er hatte jetzt aber keine Zeit, dem nachzugehen, und setzte seinen Weg fort.
Minuten später erreichte er das Jagdhaus und blieb wie angewurzelt stehen.
Nein, er brauchte seine Taschenlampe nicht, um zu sehen, daß sich hier alles geändert hatte.
Das Jagdhaus wurde von einer fluoreszierenden Aura umgeben.
Und da war noch etwas, was Ron Williams verblüffte: Das Gemäuer sah aus wie neu. Keine Spur einer Beschädigung war zu erkennen. Die Fenster, die sehr klein waren und mit Butzenscheiben versehen, waren erleuchtet.
Schatten bewegten sich dahinter.
Es schien, als wäre Ron Jahrhunderte in die Vergangenheit versetzt, in eine Zeit, da der schreckliche Fürst noch darin hauste.
Wie war das möglich?
»Marietta«, schluchzte er mit erstickter Stimme und wankte auf das Jagdhaus zu, in das der Fürst einst von der Königin wegen seiner Umtriebe verbannt worden war.
Aber die Verbannung war kein Hindernis gewesen, es genauso wild zu treiben wie zuvor. Die Königin hatte kurz entschlossen ihre Garde geschickt mit dem Auftrag, den Fürsten und alle, die sich im Schloß befanden, zu töten.
Das war lange her. Die Einwohner von Bredhouse waren in jener Zeit gezwungen, den schrecklichen Fürsten nicht nur zu dulden, sondern ihn sogar noch zu unterstützen. Die Königin hatte ihnen gegenüber deshalb Gnade vor Recht ergehen lassen und sie von einer Bestrafung verschont.
Doch der Fluch war auf Bredhouse geblieben.
Der Fluch war es, der die Bewohner des Dorfes zusammenschweißte und der letztlich Kasimir Cassdorf zu seiner Macht verholfen hatte.
Jetzt wurde das in aller Klarheit wieder deutlich.
John Holleway und die vier jungen Leute aus London hatten versagt, hatten versagen müssen, obwohl sie alles getan hatten, was in ihrer Macht lag, die Bredforder aus dem Bann des Bösen zu befreien.
Sie hatten es nicht geschafft.
Ron übersah all diese Dinge, doch ließ er sich nicht davon abhalten, sein Vorhaben auszuführen. Seine Liebe zu Marietta war so groß, daß er blindlings in sein Verderben gerannt wäre, um sie zu erretten.
Als er weiter auf das Jagdhaus zuschritt, wurde er bemerkt.
»Gebieter!« schrie eine weibliche Stimme. Es war die Mariettas. »Geliebter, verschone ihn!«
Sie hatte die Gedanken Rons gelesen und erkannt, daß er ihr alles verzieh, was zu verzeihen war, daß er sie liebte – trotz alledem.
Die Erkenntnis darüber kam für sie zu spät. Sie konnte das Geschehen nicht mehr rückgängig machen.
Aber Marietta wollte nicht, daß Ron Williams etwas zustieß.
Meterlange Flammen züngelten aus dem Gebäude, die begleitet wurden von einem grollenden Lachen.
Ron Williams wurde von dem Feuer zurückgetrieben.
»Also gut«, erscholl eine mächtige Stimme.
»Ich will ihn am Leben lassen. Heben wir ihn uns für später auf. Er soll dein Spielzeug sein, Sklavin. Ich schenke ihn dir. Im Moment haben wir keine Zeit, uns näher mit ihm zu beschäftigen.«
Eine unsichtbare Kraft zwang Ron, den Weg zurückzugehen. Er bewegte sich wie eine Marionette.
Erst am Ortseingang fiel der Bann von ihm ab.
Wimmernd ging er zu Boden. Er heulte sich alles aus dem Leib, was er empfand.
Dann schreckte er hoch. Er hörte Schritte.
*
Thompson und der Polizeiinspektor beratschlagten kurz. Sie waren schnell zu einem Schluß gelangt.
»Die Suche nach Marietta sollte unser nächstes Anliegen sein«, konstatierte der Inspektor.
»Ich bin dafür, wir halten uns an die Aussage von John Holleway. Konzentrieren wir unser Augenmerk zunächst einmal auf diese ominöse Jagdhütte.«
Thompson verzog das Gesicht. Es behagte ihm nicht, zu dieser nächtlichen Stunde – es war bereits kurz nach Mitternacht –, dem Jagdhaus einen Besuch abzustatten, aber er widersetzte sich nicht und bot sich sogar als Führer
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