Markttreiben
Meine
Vermieter verkaufen und hetzen mir ständig Leute auf den Hals. Auch ohne
Anmeldung. Aber Sie sind nicht …?«
»Nein, Kripo.« Evi stellte sich und Gerhard vor. »Frau Deutz,
erinnern Sie sich noch an das Bürgerfest in Peiting?«
»Klar, ich liebe Rock Selig Erben. Jonny ist der Beste. Warum?«
»Waren Sie später mit Miriam Keller auf deren Balkon gesessen?«,
fragte Evi und ignorierte das »Warum?«.
»Ja, es kam ein Gewitter. So ein richtiges. Jeder versuchte noch, zu
retten, was zu retten war. Schirme, Decken, Polster, Markisen. Da war ja auch
noch dieser Filmdreh, die mussten auch jede Menge Requisiten und Krempel
bergen.«
»Wie lange saßen Sie denn da so?«, fragte Evi weiter.
»Warum das denn?« Bettina Deutz hatte die Stirn gerunzelt. Sie war
eine schlanke, große Frau mit Kurzhaarschnitt und einer modernen dunklen,
schmalen Brille. Wenn sie so ernst dreinschaute, nahm man ihr die strenge
Lehrerin ab.
»Frau Deutz.« Gerhard erläuterte ihr die Zusammenhänge, ohne auf
Details einzugehen, und schloss: »Wir möchten wissen, wann Sie Miri verlassen
haben.«
Sie hatte Gerhard die ganze Zeit angestarrt, und jetzt lachte sie
auf. »So nach zwei. Ich war um halb drei zu Hause. Sie wollen jetzt aber nicht
sagen, dass Sie Miri verdächtigen?«
»Frau Deutz, ist Ihnen bekannt, dass Miriam Keller diverse
Beziehungen zu Männern unterhielt?« Evi klang sehr cool und professionell.
Bettina Deutz hatte die Stirn gerunzelt. »Ich weiß von zweien. Von
ihrem alten Kumpel Rainer und von Egon. Aber was hat das damit zu tun?«
»Frau Deutz, es ist Material aufgetaucht, das Ihre Freundin beim
Geschlechtsverkehr zeigt. Es besteht Grund zur Annahme, dass einer der beiden
Herren erpresst worden ist. Oder dass Miri erpresst wird.«
Bettina Deutz hatte ihre Brille abgesetzt und begann diese mit ihrem
T-Shirt zu putzen. Sie sagte eine Weile nichts. »Mir hat sie nichts erzählt.«
»Hätte sie Ihnen das denn erzählt?«, fragte Evi.
»Erzählt denn irgendwer, dass er erpressbar ist?«, konterte Bettina
Deutz.
»Wäre sie denn erpressbar gewesen?«, blieb Evi am Ball.
»Mit Sexfotos?«
»Ja.«
»Sicher nicht, Miri war da ziemlich locker.«
»Das hat sie uns auch gesagt.« Evi klang nun deutlich aggressiver.
»Dann wird das wohl stimmen.« Bettina Deutz hatte augenscheinlich
keine Lust, Boden zu verlieren.
»Wussten die beiden Ehefrauen von den Affären?«
»Das entzieht sich meiner Kenntnis. Miri hat so gelebt, wie sie
wollte. Sie war aber keine, die ihre Lover durchgehechelt hat. Auch nicht deren
Ehefrauen. Wir haben über ganz andere Dinge geredet. So wichtig sind Männer
auch nicht.« Sie schickte einen vagen Blick in Gerhards Richtung.
»Worüber denn?«
»Über die Kids. Über unseren Job. Darüber, wie schwer es ist, heute
noch Lehrer zu sein. Darüber, wie kalt diese Welt ist. Darüber, dass Eltern
sich weigern, zu erziehen, und nun von den Lehrern erwarten, dass die
einspringen.«
Weder Gerhard noch Evi sagten etwas. Bettina Deutz fuhr fort. »Es
ist erschreckend, beklemmend.« Sie sah Gerhard an, dann Evi. »Ich nehme mal an,
der Herr Kommissar ist in etwa so alt wie ich; Sie, Frau Kommissarin, sind zwar
jünger, aber werden mir zustimmen. Wir haben auch mal getrunken, aber doch
nicht dieses Komasaufen. Wir wollten doch nicht besinnungslos besoffen sein.«
»Nein«, sagte Gerhard, und das stimmte ja auch. Sie waren sicher
keine Waisenknaben gewesen, aber er konnte sich an niemanden in seinem Kreise
erinnern, der jemals komatös umgefallen wäre. Sie hatten auch bloß Bier
getrunken.
Er lächelte die Lehrerin an. »Also ich hätte Sie ja deutlich jünger
geschätzt, aber wenn wir eine Generation sein sollen, bitte schön: Wir haben
auch keinen Wodka Red Bull gesoffen und das ganze Zeug mit irrwitzigen Mengen
Zucker. Zucker macht das Hirn kaputt, wir haben Bier getrunken, und irgendwann
…«
»… tut’s zu, und die Mengen kann man auch gar nicht derbrunsen«,
ergänzte Bettina Deutz, und selbst Evi, die bei der Meldung »Ich hätte Sie ja
deutlich jünger geschätzt« schon wieder sehr böse geguckt hatte, musste lachen.
Irgendwie war das Eis nun gebrochen.
»Aber warum? Was ist so anders?«, fragte Evi.
»Es ist diese Angst vor Nähe. Die Kids vögeln jemanden, den sie
weder vorher noch nachher kennen. Sie sind cool, abwesend, nicht in sich selbst
anwesend. Und im Internet im Chat, im Facebook, in ihren Blogs, da schreiben
sie einander in bedrückender Intensität, in einer
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