Markttreiben
Keller?«, fragte Evi.
Sie nickte.
»Frau Keller, wir sind von der Kripo Weilheim. Dürften wir
reinkommen?«
Sie nickte erneut, wirkte weder besonders überrascht noch irgendwie
gestresst. Sie machte eine einladende Handbewegung und ging vor in die Küche.
Ein heller Raum, die Tür zur Terrasse stand offen. Gerhard und Evi nahmen an
einem Tisch Platz, dessen Tischplatte aus Glas war. Drunter war Sand
eingefüllt; Muscheln und ein paar hellblaue Steine sprenkelten den Sand. Die
Küchenzeile war hell und zeitlos, das Ambiente ansprechend. Es war eine
Junges-Wohnen-Küche aus dem Mitnahmemarkt. Gerhard hatte das unbestimmte
Gefühl, dass Miri hier nicht wirklich lebte. Das hier war sie nicht. Er
erinnerte sich an Baiers Erzählungen ihr ehemaliges Haus betreffend. Das hier
war nett, aber nichtssagend.
»Moment«, sagte sie und wusch sich in der Spüle die Hände. »Ich
dachte, ich topf die in der Frühe um, bevor es wieder so heiß wird. So.« Sie
drehte sich zu den Kommissaren um.
»Kaffee? Oder lieber was Kaltes?«
»Wasser, am liebsten aus der Leitung«, sagte Evi.
»Und Sie?« Miri lächelte Gerhard an. »Ein Weißbier? Einen
Frühschoppen?«
Er ignorierte Evis zweiten missbilligenden Blick. Man trank kein
Weißbier vor zwölf. Man trank überhaupt nicht im Dienst. Er aber sagte:
»Gerne.«
Miri schenkte ihm eins aus Kaufbeuren ein, das war durchaus
akzeptabel.
»Frau Keller«, hob Gerhard nun an und sah in ihre seltsamen Augen.
»Sie haben vom Tod von Leonhard Lang gehört.«
»Sicher, so gefährlich ist Peiting sonst ja nicht. Der arme Leo. Und
alles wegen so ein paar dummer Kameras. Ich dachte, das gibt’s bloß im Osten
oder in den Brennpunkten Südamerikas, dass ein Menschenleben nichts zählt.«
Gerhard beobachtete sie genau. Sie sprach mit Nachdruck, sie war ein
Mensch, der einen sofort in den Bann zog. »Um diese Kameras geht es. Sie wurden
gefunden.«
»Ach!« Sie wirkte ehrlich überrascht. »Das nutzt Leo aber auch
nichts mehr, oder? Wo haben Sie die denn gefunden? Im Internet? Wahrscheinlich
kann man sie bei eBay ersteigern?«
Es kam selten vor, dass Menschen der Polizei gegenüber so offen
waren. Normalerweise gaben sie verdrückte Antworten, hatten hektische Blicke
aufgesetzt, die in den Räumen umherirrten. Es war selten, dass Menschen ohne
Impuls des Fragestellers eigene Ideen äußerten. Diese Miri war in keiner Weise
von Evis und seiner Anwesenheit beeindruckt.
»Sie wurden in einem Stollen unter der Echelsbacher Brücke
gefunden«, sagte Evi, und Gerhard merkte an ihrer Stimme, dass Miri und sie
wohl nicht dicke Freundinnen würden.
Miri hatte den Kopf leicht schräg gelegt. »Ich hab mal von diesen
Stollen gehört, aber was hatten die Kameras da denn verloren?«
»Das ist eine gute Frage, die ich gerne an Sie weitergebe.« Evis
Stimme war metallisch.
»An mich?«
Gerhard mischte sich ein. »Frau Keller, es hat den Anschein, als
habe jemand versucht, das Material aus den Filmkameras und denen der
Standfotografin zu zerstören, weil dieser Jemand nicht wollte, dass das
Material an die Öffentlichkeit kommt.«
Sie hatte ihn aufmerksam angesehen, er tat sich schwer, ihre Augen
auszuhalten.
»Und was hat das mit mir zu tun?«
»Sie sind darauf zu sehen!« Evi war etwas lauter geworden.
Miri wartete, sie sah von Evi zu Gerhard. »Und? Wie zu sehen?« Immer
noch wirkte sie ungerührt, fast ein wenig amüsiert, dass ihr Tag so eine
interessante Wendung genommen hatte.
»Frau Keller!« Evi ließ nun definitiv keinen Zweifel mehr daran,
dass sie ihr Gegenüber nicht mochte. »Frau Keller, man sieht Sie auf Ihrem
Balkon, wo Sie ein Mann von hinten …« Evi brach ab, sie sah zu Gerhard hinüber.
Na toll! Nun durfte er in die Bresche springen. Evi war eigentlich
gar nicht so gschamig, davon hatte er sich bei ihrer kurzen Liaison überzeugen
können. Aber sie war keine, die Privates, Intimes nach außen lebte und
thematisierte. Also war er dran.
»Frau Keller, man sieht Sie auf Ihrem Balkon beim Sex, und zwar nicht
nur mit einem Mann, sondern zweien. Die Standfotografin hat das wohl mehr
zufällig eingefangen und dann eine Sequenz geschossen. Von zwei Männern.«
Miri hatte ihn weiter nur interessiert angesehen. Ein Lächeln
huschte über ihre Lippen. »Zwei Männer? Gleichzeitig?«
Evi entfuhr ein seltsamer Laut, Gerhard gab sich alle Mühe, neutral
zu klingen.
»Nein, und über den zeitlichen Ablauf wissen Sie sicher besser
Bescheid. Sofern Sie da den Überblick noch
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