Markttreiben
Socher
geflirtet hast. Der könnt ja dein Vater sein.«
»Egon Socher ist ein gebildeter kultivierter Mann; das da ist eine
Schlampe. Und du fällst drauf rein. Muss ja toll sein mit so einer, die fünf
Minuten vorher einen anderen entlassen hat. Hoffentlich duscht sie
zwischendurch.«
Gerhard schnappte nach Luft. So was von Evi? Solche Sätze stammten
von Jo, niemals von seiner kühlen Kollegin. Evi, die stets Zurückgenommene? Was
passierte hier zwischen ihm und Evi? Sie mischten Privates darunter,
Vorgeschichten, Nachspiele, Zwischenepisoden. Es war leichter, im Mafiamilieu
zu stochern, das war so angenehm weit weg. Dieser ganze Beziehungs- und
Liebesschlamassel war zu nahe, sie alle waren Emotionstreibholz, weggespült von
Tausenden von Arbeitsstunden und der Pausenlosigkeit ihrer Leben.
Er versuchte Ruhe in die Sache zu bringen. »Wir müssen Socher
nochmals befragen, scheint es, nun hatte er doppelt Grund dazu, Leo zu
ermorden. Und diesen Bader knöpfen wir uns auch vor. Und Bettina Deutz, die
muss Miris Aussagen bestätigen.«
»Miris?« Evi war nun wirklich konsterniert. »Kennst du die Dame auch
näher?«
»Nein, aber sie ist Baiers Nichte. Das macht die Sache, äh, etwas
pikant.« Gerhard brach ab.
»Unser Baier?«
»Ja, Evi, er war es auch, der Bader auf dem Bild identifiziert
hatte. Er hatte mich gebeten, ihn erst mal rauszulassen. Deshalb war ich so, äh
unwirsch.« Himmel, warum war die Welt nur so klein? Warum arbeitete er nicht in
einer Großstadt, wo er unbeteiligt wäre, nicht so dicht dran an Menschen, die
ihm etwas bedeuteten?
Evi hatte die Augen weit aufgerissen. Sie rang um Worte. Es war
Gerhard, der schließlich sprach. »Evi, es tut mir leid. Wegen heute früh. Baier
nimmt das ziemlich mit. Er wohnt im Haus dieser Nichte. Sie ist ihm sehr
wichtig. Ich hab den Eindruck, sie ist ihm wichtiger als seine Tochter.«
Evi sagte lange nichts. »Und jetzt?«
»Jetzt soll uns Melanie die Adresse von dieser Bettina raussuchen.
Dann besuchen wir Socher, es würde mich doch sehr interessieren, ob seine Frau
von der Affäre wusste.« Gerhard sah sich um. »Vorher trinken wir ‘nen Kaffee.
Cappuccino?«
Evi nickte. Gerhard ging rein in die Eisdiele, und wenig später
kamen zwei Tassen Cappuccino.
»Kein Weißbier?«, fragte Evi.
»Nein.«
Es blieb still, bis Evi schließlich sagte: »Entschuldigung
angenommen, aber nur wenn du zahlst. Und es tut mir leid für Baier.«
Evi war eben seine Evi. Die beste Kollegin von allen.
Melanie hatte Bettina Deutz’ Adresse. Sie hatte angerufen und
vorgegeben, sich verwählt zu haben. »Sie ist zu Hause, sie war sehr nett und
sagte, die Störung mache nichts, sie habe zwar schulfrei, korrigiere aber.«
Gerhard schüttelte den Kopf. Melanie war manchmal schon eine Marke.
Aber so wussten sie zumindest, dass die Dame wohl noch etwas länger über ihrer
Arbeit sitzen würde. Sie durchfuhren Hohenfurch, und Gerhard stellte überrascht
fest, dass es überall neue Überholspuren gab. Wann war er auch zum letzten Mal
in Landsberg gewesen? Oder in Augsburg? Oder anders gefragt: Was hätte er da
auch tun sollen? Ins Museum gehen oder in den Zoo? Hätte er shoppen sollen?
Apfeldorf am Lechrain machte einen netten Eindruck, die Dorfkneipen
waren zweckentfremdet, das übliche Sterben der Dorfkneipen, weil die Jugend
auspendelte, weil die Sport- und Schützenheime billiger Bier ausschenkten und
weil es sich wegen ein paar alter Sonntagsbierdimpfl nicht mehr rentierte, eine
Wirtschaft zu betreiben. Was hier eine Golfanlage zu suchen hatte, erschloss
sich Gerhard nicht. Sie durchfuhren eine Art kleinen Canyon und erreichten
Apfeldorfhausen und das Haus, in dem Bettina Deutz lebte. Sie saß unter einem
Sonnenschirm vor dem Haus, neben ihr stapelten sich Hefte. Sie sah auf.
»Frau Deutz?«
»Ja.« Sie machte eine einladende Handbewegung. »Ich freu mich über
jede Ablenkung.«
»So schlimm?«, fragte Evi und deutete auf die Hefte.
»Ja, leider. Deutsch. Erzählung. Es ist ein Trauerspiel. Eine
Erörterung oder Nacherzählung, vielleicht noch Arbeit am Text, das geht ja
alles noch. Aber wenn die reine Phantasie und Wortgewandtheit gefragt sind,
produzieren die Kinder nur noch Müll. Ein Trauerspiel, wirklich. Aber ich kann
ja nicht lauter Fünfer verteilen.« Sie stöhnte auf. »Aber was kann ich für Sie
tun? Interessieren Sie sich auch für das Haus?« Sie registrierte die verwirrten
Blicke ihrer Besucher. »Ach so, ich dachte, Sie wären Interessenten.
Weitere Kostenlose Bücher