Markttreiben
Gerhard hatte
seine Augen zusammengekniffen. Wenn Socher meinte, dass die fein geschliffene
Sprachklinge bei einem dummen Polizistentrampel wie ihm genügte, würde er ihm
diesen Zahn mal ziehen.
Gerhard war ein bisschen enttäuscht, dass genau die Frage kam, die
er auch erwartet hatte: »Woher haben Sie das?« Socher war geschrumpft.
»Der von Ihnen so ungeliebte Filmdreh wurde Ihnen zum Verhängnis.
Ist das nicht eine Ironie des Schicksals, Herr Socher? Die Standfotografin hat
Sie mit ihrer langen Linse entdeckt.«
Socher hatte sich wieder unter Kontrolle. »Gut, ich habe ein Verhältnis
mit Miriam Keller. Warum sollte ich das noch leugnen?«
»Gscheit, Herr Socher, ganz gscheit. Ganz rein boarisch gscheit, ich
sag jetzt nicht ›clever‹ oder einen anderen bösen Anglizismus.« Gerhard hatte
sich eingeschossen, er konnte zynisch sein, wenn es sein musste.
Socher hatte wohl beschlossen, Gerhard zu ignorieren, und sprach zu
Evi. »Das ist ja meine Privatangelegenheit. Welches Interesse hat mein
Privatleben für Sie?« Er hatte diesen Lehrertonfall aufgesetzt, und Evi war
eine Schülerin, die schlecht gelernt hatte.
Hatte sie aber nicht, Gerhard ließ Evi mal weitermachen. »Es ist
nicht sonderlich privat, sich auf einem Balkon zu vergnügen. Schon gar nicht,
wenn man Zuschauer hatte.«
Socher schnaubte. »Eine Standfotografin. Die macht ein paar tausend
Bilder am Tag.«
»Sie hatten noch einen Zuschauer, Herr Socher.« Evi schenkte Gerhard
einen Hilfe suchenden Blick. Na, da wollte er mal nicht so sein. Er ließ noch
ein Foto zu Tische sinken.
Socher nahm es auf und wurde blass. Er schwieg.
»Ihrem Schweigen entnehme ich, dass Sie die Zusammenhänge
begreifen«, sagte Gerhard. »Das ist Leo mit dem Fernglas. Leo Lang hat Sie
beobachtet. Er hatte Zugang zu den Bildern. Er konnte diese Ihnen unter die
Nase halten. Sie erpressen. Womit hat er Sie erpresst? Dass er Sie unmöglich
macht in Peiting? Dass er den Moralapostel enttarnt? Leo Lang war bauernschlau,
aber dann wieder nicht so gewitzt. Er hat sich wahrscheinlich sogar damit
gebrüstet, dass er der Herr über die Kameras ist, wo all die schönen Bilder
drauf sind. Sie, Herr Socher, mussten bloß noch warten. Bis er besoffen genug
war. Bis Winnie ebenfalls total zu war. Das Wetter kam Ihnen da zupass. Der Ort
war gegen drei wie ausgestorben. Sie haben Leo Lang ermordet und die Kameras
verschwinden lassen.«
Socher japste.
»Ich hab mich mal schlaugemacht über Sie, Herr Socher. Sie kannten
die Stollen unter der Echelsbacher Brücke gut. Sie waren mit Schülern drin, der
Bürgermeister von Bad Bayersoien hat mir das bestätigt. Im Prinzip war das auch
ein recht schlauer Platz, wenn man etwas schnell verschwinden lassen muss und
nicht gesehen werden will.«
Socher schien es tatsächlich die Sprache verschlagen zu haben.
Gerhard wartete. Es war Evi, die ein fragendes »Herr Socher?«
hinterherschickte.
Socher straffte die Schultern. »Leo Lang war nicht hier. Er hat mir
keine Bilder gezeigt.«
»Herr Socher, gegen elf Uhr nachts hatten Sie einen Disput mit Leo
Lang. Sie hatten etwas in der Hand. Das waren doch sicher die Bilder.« Gerhard
hatte zu seiner Ruhe zurückgefunden.
»Nein!«
»Was war es dann?«
»Es waren drei Leserbriefe, die ich aus der › SZ ‹ ausgeschnitten hatte. Ich wollte Leo Lang zwingen, die
zu lesen. Da hatten einige andere Menschen auch Position zur Verdummung im
Fernsehen bezogen. Ich wollte, dass Leo Lang merkt, dass ich nicht allein stehe
mit meiner Kritik.«
Gerhard ersparte sich und Socher die Frage »Warum?«. Der Mann war
a. D. Er hatte das drin, Menschen zu belehren.
»Schöne Geschichte. Haben Sie die Briefe da?«, fragte Gerhard.
Socher benötigte einen Griff, um sie unter einem Magazin
herauszufischen.
»Ja, sehr beeindruckend, aber das überzeugt mich nicht! Herr Socher,
Sie hassten Leo Lang. Er hat Sie erpresst. Er musste weg. Sie sind intelligent
genug, das Ganze als Raubmord zu tarnen. Und Sie kannten die Stollen!«
»Aber das ist doch Irrsinn. Ich töte doch keinen. Leo Lang hat mir
keine Fotos gezeigt.«
Evi schaltete sich wieder ein. »Und was, wenn er sie Ihrer Frau
gezeigt hat?«
Socher fuhr herum.
»Guter Gedanke. Leo Lang druckt die Bilder aus. Er bringt sie Ihrer
Frau und ist später wieder auf dem Fest! Er erzählt Ihnen, was er grad getan
hat.«
»Rosi war im Bett. Sie hatte Migräne und eine Erkältung. Sie hätte
um die Zeit niemals die Tür geöffnet.«
Das konnte stimmen oder
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