Markttreiben
Schwachsinn ist.«
DREIZEHN
Es ist nicht mehr
diese
zuweilen mit dir
in die Stunde gesenkte
Schwere. Es ist
eine andre.
Evi verließ den Raum, und Gerhard war allein. Kälte stieg auf
einmal in ihm auf. Evi hatte recht – wie immer. Auch damit, dass der einzig
realistische Weg über Maria Paulus führte. Aber wie wollte er eine alte Frau,
die sich ihr ganzes Leben erlogen hatte, denn dazu bringen, ihm die Wahrheit zu
sagen? Würde es Baier gelingen, wenn er Miri ins Spiel brachte? Was aber, wenn
alles noch viel ärger war und Maria Paulus sogar wusste, dass ihr Sohn gemordet
hatte? Das vielleicht sogar gutgeheißen hatte? Und zum wiederholten Male kam
ihm seine Idee so abwegig vor. Wen sollte er fragen? Peter Paulus war ja leider
weit weg. Die Homepage war noch offen. »Piets Nest«. In einer Randspalte
blinkte eine orangefarbene Schrift auf. Für etwas, was sich »game census« nannte, gab es noch Restplätze. Für ein »couple« für fünfzig Prozent des Normalpreises. Zwei reisen,
nur einer zahlt. Auch diese fünfzig Prozent waren kein Schnäppchen, beileibe
nicht. Gerhard klickte mal drauf. Es gab die Option von Flügen ab Kopenhagen,
London und München. »Book now!« ,
sagte die Leuchtschrift. Die Flüge würden morgen gehen. Er hatte Resturlaub zum
Saufuadern. Wollte er nicht schon immer mal nach Südafrika?
Warum er zum Telefon griff, konnte er später nicht mehr sagen. Jo
freute sich wirklich, von ihm zu hören, sie plauderten eine Weile. Jo erzählte
von einigen Messen und Veranstaltungen, die sie in letzter Zeit zu bestreiten
gehabt hatte. »Ich bin so was von urlaubsreif«, lachte sie.
Warum er diesen Satz sagte, war ihm später ebenso unklar wie alles
andere, was folgte: »Ich such ‘ne Begleiterin für Südafrika. Spontane
Reiseidee. Würde morgen losgehen. Eine Woche … äh …«
Es war kurz ganz still, bis Jo sagte: »Geht es dir gut? Du willst
mit mir in Urlaub fahren? Spontan, morgen? Wo bist du?«
»Im Büro.«
»Gut, ich fahr jetzt in Ogau los, du startest in Weilheim durch. Wir
treffen uns in der Mitte in Murnau. Im ›Punto Dolomiti‹, bei Gigi. Keine
Widerrede. Ich will wissen, was los ist.«
Gerhard streckte kurz den Kopf bei Evi ins Büro. »Hast du schon
was?«
»Nein, ich kann nicht zaubern.«
»Doch, meine Aischgrund-Zaubermaus. Ich bin kurz mal weg.«
Evi zeigte ihm den Vogel, das tat sie ganz schön häufig dieser Tage,
dachte Gerhard noch. Dann wandte sie sich wieder ihrem Computer zu.
Gerhard traf als Erster ein. Bestellte sich einen Cappuccino und
ein Tramezzino. Fünf Minuten später kam Jo. Natürlich gab es Küsschen auf die
Wange. Jo sah gar nicht so überarbeitet aus. Was Gerhard auch sagte.
»Das liegt daran, dass ich viel zu viel fresse. Das polstert die
Falten auf. Auf diesen Scheißmessen und -conventions und wie das alles heißt,
musst du dauernd essen und trinken.«
»Na ja, ich finde, das hat dir nicht geschadet.«
»Toll, ich bin zu fett, und du sagst, das schadet nix.« Jo tat
entrüstet.
»Das ist eine Diskussion, in die ich nicht einsteige. Ich verliere
immer. Sag ich, du siehst gut aus, wirst du mich der Lüge bezichtigen. Sag ich,
du hast vielleicht ein klitzekleines Kilo zugelegt, sagst du, ich sei ja so
gemein. Vergiss es, Jo, ich begebe mich nicht auf dieses Glatteis. Ich habe
dazugelernt.« Er lachte, es tat gut, Jo zu sehen. Da war Wärme und Nähe.
»Du hast dazugelernt? Ich glaube, du bist eher verrückt geworden.
Warum willst du nach Südafrika? Warum mit mir? Los, rede!«
Gerhard begann langsam seine Geschichte zu erzählen. Davon, dass er
vom Ausgang seines Falls nicht überzeugt war. Von all den Verkettungen. Von
seiner Annahme, dass Peter Paulus Piet Patterson sein könnte. Von der Lawine.
Es war ein Wunder, dass Jo ihn nicht unterbrochen hatte. Das tat sie erst, als
der Name Baier ins Spiel kam.
»Baier ist im Boot? Er trägt diesen Irrsinn mit? Das glaub ich ja
nicht!«
»Doch, schon.«
»Gerhard, ich kenn dich jetzt hundert Jahre oder so: Was
verschweigst du mir?«
Gerhard atmete tief durch. »Miriam Keller ist die Nichte von Baier.
Er hat sie sehr geliebt. Wie eine Tochter.«
Jo entfuhr ein »Oh«. Dann sah sie Gerhard scharf an. Sie konnte
mitten in sein Herz sehen. »Und weiter? Was noch?«
»Nichts mehr.«
»Gerhard, ich warne dich. Ich höre keine Sekunde mehr länger dieser
Räuberpistole zu, wenn du mir nicht alles sagst. Alles! Los jetzt!«
Für einen Moment verfluchte sich Gerhard für die Idee, Jo gefragt
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