Markttreiben
Statur stimmt, unter all den Hüten ist er auf den
späteren Bildern schwer zu erkennen. Aber ich glaube, die Augen stimmen, ja,
die Augen sind gleich.«
Baier sah gequält aus. »Ich muss die Sachen zurückgeben. Das Problem
ist nur, dass die Attacke wohl nicht so schlimm war. Maria Paulus ist wieder
auf ihrem Zimmer. Sie liegt allerdings im Bett. Es muss ein leichtes Schlagerl
gewesen sein, sie darf nicht aufstehen.«
»Aber dann wird sie nicht ihre Kommode kontrollieren, Baier. Sie
wird ja wohl nicht täglich ihr Geheimfach öffnen.«
»Ja, aber viel Zeit bleibt nicht.«
»Nein, Baier, Sie Schlawiner, da pressiert’s. Das war Diebstahl.«
Gerhard versuchte zu witzeln.
»Das war eine Leihgabe, und außerdem haben Sie mich ganz kirre
gemacht mit Ihren Ideen. Sie sind schuld.« Auch Baier gab sich humorig, sie
wollten beide die Schwere aus der Sache nehmen. Es war alles viel zu
unglaublich.
Gerhard hatte inzwischen »Piets Nest« gegoogelt. Es war eine
Guest-Ranch in Südafrika. Eine Lodge. In den Waterbergen, wo immer die auch
waren. Die Bilder sahen wunderschön aus, wie man sich so eine afrikanische
Safari-Lodge eben vorstellte. Er klickte auf »Team« und erhielt diverse Guides,
eine Biologin, eine Reitlehrerin, Verwaltungsfachkräfte, zwei Köchinnen und den
Chef. Alle mit sympathischen Porträtbildern, er in den Sonnenuntergang reitend.
Das Gesicht im Schatten. Das Impressum gab die Adresse an und nannte den
Inhaber: Piet Patterson. Gerhard und Baier hatten sich über den PC gebeugt. War Piet Patterson Peter
Paulus?
Gerhard starrte den Mann vor dem Geiselstein an. Peter, Peter
Bergfex! Du siehst hier auf dem Bild so jung aus. So positiv, so offen. Wenn du
den Lawinenabgang überlebt hast, wieso bist du untergetaucht? Baier, der
Gedankenleser, formulierte ganz ähnlich:
»Wieso nutze ich ein Lawinenunglück dazu, eine neue Identität
anzunehmen?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann mir nur denken, dass er von diesem
Patentbetrug, ja wahrscheinlich vom Mord, den sein Vater begangen hat, gehört
hat. Vielleicht war das seine Art der Flucht.« Gerhard hatte wie so oft seine
Stirn gekräuselt.
»Mir kommt das alles vor wie in einem Film.« Baiers Augenringe schienen
zusehends schwärzer zu werden.
Ja, sie waren die ganze Zeit schon in diesen Film hineingeraten, aus
dem es kein Entrinnen gab.
»Baier, ich werde auf jeden Fall mal alte Unterlagen über das
Lawinenunglück suchen und außerdem versuchen herauszufinden, wer dieser Piet
Patterson ist. Wo er herkommt.« Gerhard stockte. »Südafrika, ausgerechnet. Wenn
das Europa wäre oder von mir aus Kanada, aber Infos aus Südafrika zu bekommen
kann schwierig werden.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden, Weinzirl? Und machen Sie nichts
Unüberlegtes. Wir stützen uns nur auf abstruse Hypothesen, und ob das alles
überhaupt etwas mit Miri zu tun hat, wissen wir nicht.«
Gerhard verzog das Gesicht. Was sollte er auch sagen? Baier hatte
gerade sein »Diebesgut« wieder eingepackt, als Evi hereinschneite. Sie sah von
Baier zu Gerhard.
»Noch etwas unklar mit Baiers Aussage?«, fragte sie.
»Nein, warum?«
»Was macht ihr beide hier? Ihr heckt doch was aus. Gerhard, ich will
endlich wissen, was du tust. Du kannst mich nicht immer ausschließen.«
Baier sah von Evi zu Gerhard und machte eine beschwichtigende
Handbewegung.
»Wow, hast du auf deiner gestrigen Fortbildung das strenge Auftreten
gelernt? Weibliche Führungskräfte ganz tough oder so was?«, maulte Gerhard.
»Gerhard, mir ist es ernst. Baier, sagen Sie doch auch mal was. Was
ist hier los?«
»Sagen Sie es ihr, Weinzirl. Sie werden Frau Straßgütl sonst eh
nicht mehr los. Ich bleibe hier zu Ihrer Unterstützung.« Er grinste schief.
»Bitte regen Sie sich nicht auf, Frau Straßgütl. Und Sie auch nicht, Weinzirl.«
Und so begann Gerhard zu erzählen. Von Leo Langs Schrank. Von der
Patentschrift. Von Rainer Bader. Von Effi und Leo Langs
Verwandtschaftsverhältnis. Er wurde immer wieder unterbrochen durch Ausrufe wie
»Das glaub ich jetzt nicht« oder »Der Fall ist abgeschlossen« oder auch »Das
ist Einbruch/Diebstahl«. Baier sprang dann auch in die Bresche und fasste die
alte Bergwerksgeschichte von Valentin Lang und Franz Paulus nochmals zusammen.
Gerhard schloss das Ganze mit den Worten »Was würdest du denken?« ab.
Evi rang mit sich. Es war ihr anzusehen, dass widerstrebende
Gedanken ihren Kopf malträtierten. Dann rief sie mit aller Inbrunst: »Ich hasse
euch zwei!«
»Wir uns auch«,
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