Markttreiben
zu
haben. Dann stieß er aus: »Mir ist Miri Keller nicht egal. Ich habe mich in sie
verliebt.« So, nun war es raus.
Jo rührte wie irr in ihrem Cappuccino, dabei nahm sie gar keinen
Zucker. Tonlos sagte sie: »Du hast mit ihr geschlafen, nicht wahr? Und nun ist
sie tot.«
»Ja, und bevor du mir nun eine Predigt halten willst: Das eine hat
mit dem anderen nichts zu tun. Ich weiß als Kriminaler, dass da etwas nicht
stimmt. Darum geht es.«
Jo schnaubte. »Es hatte alles damit zu tun. Weinzirl, du wirst immer
wunderlicher. Gib wenigstens zu, dass du es nicht wahrhaben willst, dass sie
tot ist.«
Gerhard sagte nichts. Das war das schlagende Argument aller seiner
Bekannten. Alle hatten sie das gesagt: Baier, Bettina Deutz. Sie hatten recht,
aber so ein Meister im Selbstbetrug war er auch wieder nicht. Da war etwas
faul. Er sah Jo vorsichtig an, die mit sich kämpfte. Er wartete auf weitere
Tiraden, aber Jo war zu Gigi an den Tresen gegangen.
»Hast du hier Internetzugang?«, fragte sie.
»Klar.«
»Dürfen wir mal schnell was ansehen? Gerhard, dieser Vollpfosten,
und ich, die ich zu seiner Rettung gerufen wurde?« Sie schenkte Gigi einen
Blick, der besagte, dass sie so was wie eine Wärterin im Irrenhaus war und man
Gerhard ganz vorsichtig behandeln müsse.
Gigi grinste, Gerhard auch. Jo war und blieb die Beste. Sie hatte
etwas dazugelernt. Sie hatte gelernt, dass Schweigen manchmal besser war als
Reden. Und das bei Jo!
»Los, zeig mir diese Farm!« Jo hatte sich auf dem Bürostuhl in Gigis
kleiner Küchen-Büro-Kombination niedergelassen.
Gerhard rief »Piets Nest« auf und blieb hinter Jo stehen. Die
klickte sich durch die Seiten, begleitet von Ausrufen wie »Wahnsinn«, »Ist das
geil«, »Die Pferde sehen ja toll aus«. Sie drehte sich schließlich zu Gerhard
um. »Okay, ich fahr mit. Aber nur, weil das ja wohl ein Traum ist. Du zahlst.
Das ist klar, oder?« Sie lachte glockenhell, und Gerhard wusste, dass sie das
nie zulassen würde. Natürlich würde sie ihren Teil übernehmen.
»Sicher.«
»Gut, wann fliegen wir?«
»Morgen. Ich hol dich ab. Der Flug geht um zweiundzwanzig Uhr. Über Nacht.
Wir sind in der Früh dann da.«
»Gut, aber ich hole dich ab. Um sechs.«
Das war Jo; sie gab nichts aus der Hand und das Autofahren am
wenigsten gern. Pünktlich stand sie da. Auch sie hatte ihren rostigen Jeep
inzwischen in ein neues Auto umgewandelt. Als Bäuerin für Arme, wie sie selber
immer sagte, war es ein Pick-up geworden.
»Kriegst du mit dem Monster irgendwo einen Parkplatz?«, lästerte
Gerhard.
»Den parkt man nicht, den stellt man ab.«
Gerhard fand es beachtlich, dass Jo nichts mehr fragte. Sie plauderten
über Reiber, und Jo ließ durchblicken, dass so eine Beziehung auf die Distanz
schwierig war. Dass dieses Pendeln zwischen den Welten – da ein Bauernhof im
Bauernkaff, dort die Hauptstadt – anfangs noch spannend gewesen war.
»Weißt du, es war, als hätt ich einen Landsitz und eine
Stadtwohnung. Wie ein Star. Aber du bist dann nie irgendwo zu Hause. Und ich
brauch immer zwei Tage, um mich wieder umzugewöhnen, da und dort.«
»Und Reiber würde sich nicht versetzen lassen?«, fragte Gerhard
vorsichtig, denn Jo zu fragen, ob sie nach Berlin ginge, war undenkbar. Im
Gegensatz zu Miri würde Jo ihre Tiere nie aufgeben. Sollte ein Mann sie vor die
Wahl stellen: Tiere oder ich, würde die Antwort schnell und klar kommen: Tiere!
»Doch, aber irgendwann würde er mich dafür hassen. Er ist ein
Stadtmensch. Er lebt und liebt Berlin. Er ist angekommen.«
Was sollte Gerhard sagen? Dass es doch eine Lösung gäbe? Dass Liebe
immer einen Weg fände? Sie waren in einem Alter, in dem das nicht mehr stimmte.
Keiner lebte im luftleeren Raum, jeder hatte Bindungen, Ballast, auch lieb
gewonnenen Ballast, materielle Verpflichtungen – Märchenwald war anderswo. Also
sagte Gerhard nichts.
Jo verbrachte die restliche Fahrt damit, über andere Autofahrer zu
fluchen; Gerhard rügte sie scherzhaft wegen ihrer Ungeduld. Es war wie immer.
Sie waren ein Team. Immer gewesen. Keiner von beiden thematisierte nochmals die
seltsame Mission. Nur einmal, nachdem Jo dem Pinotage im Flieger ganz
ordentlich zugesprochen hatte, sagte sie: »Also ich spiele deine Frau, und wir
sind im Urlaub, weil wir uns endlich mal was gönnen wollten. Ha! Eigentlich ist
das ja der Hohn, dass ich mich für so was hergebe wegen einer anderen Frau.
Aber was tut man nicht für alte Freunde.«
Sie gab sich witzig, ganz so humorig aber
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