Markttreiben
in sich
aufsteigen. »Warum musste Miri sterben?«
»Miriam Keller, geborene Jais! Miri hat mich erkannt. Sie konnte
hinter die Dinge sehen. Sie sah in die Herzen der Menschen. Miri hatte Pech.
Miri war zu neugierig, Miri hat meine Mutter oft besucht, sie haben Englisch
geplaudert. Miri hat ein bisschen geschnüffelt. Wissbegier nennt man so was wohl.
Sie hat die Kontoauszüge gefunden, Beweise, dass viel Geld jeden Monat nach
Südafrika ging. Sie hat weitergeschnüffelt und eins und eins zusammengezählt.
Sie hat Leo Lang ausgefragt, sie war bei diesem Restaurator Bader, der die
alten Zeichnungen gefunden hatte. Zufälle, die zu einem Bild wurden. Sie hat
mir aufgelauert, einmal war ich unvorsichtig. Sie hat auf mich gewartet, als
ich über die Terrassentür bei meiner Mutter verschwinden wollte.«
»Und weiter?« Alles in ihm bebte und zitterte. Gerhard glaubte, noch
nie eine solche Verzweiflung in sich gespürt zu haben.
»Sie sprach mich mit meinem Namen an. Sagte, sie sei doch die Miri.
Natürlich wusste ich, wer sie war. Ich kannte sie von der Schule, von den
Feten. Miri, die wilde Hummel unserer Jugendzeit. Ich hab mich bei ihr
eingeladen. Wir haben geplaudert über die alten Zeiten. Sie hat mir sogar
versprochen, dichtzuhalten. Wegen meiner Mutter, Miri mochte meine Mutter
sehr.«
»Warum musste sie dann sterben?«
»Frauen kann man nicht trauen. Denen geht das Herz über und in der
Folge der Mund. Wenn es dich beruhigt: Ich hab ihr was ins Trinken getan. Sie
hat nichts gespürt.«
»Und die Tablettenblister?«
»Hab ich ausgelegt. Gestorben ist sie an einem Sedativum, das hatte
ich von Paul, in ihrem Wein.«
»Und wenn wir den Wein untersucht hätten?«
»Dann hättet ihr eine weitere Substanz gefunden. Und was daraus
geschlossen? Dass sie noch etwas eingenommen hatte. Es war ein Selbstmord, so
einfach ist das eben.«
Gerhard zitterte. Ja, so einfach war das, wenn man die Züge im
Voraus planen konnte. »Und dann hast du den Brief geschrieben?«
»Ja, ich hab ihn zu ihren Aufzeichnungen gelegt. Sie war ein sehr
unglücklicher Mensch. Bunte Fassade, Fenster bis in die Seele, ein großes Herz
für alle, große Gesten, große Worte. Eine gewaltige Bühnenpräsenz hatte sie,
unsere Miri. Und tief drin so einsam, so zerrüttet. Vielleicht hab ich ihr
sogar geholfen.«
»Du Monster! Du mieses Monster!« Es brach aus Gerhard hervor wie
eine Lavaeruption.
»Gerhard Weinzirl, Kommissar von und zu Weilheim. Ich bin kein
Monster. Ich bin nur ein Mensch, der begonnen hat, sich zu wehren. Und das
werde ich weiter tun. Ein Raubmord, ein Selbstmord und nun ein Unfall – so ist
die Welt! Und nun gehst du rückwärts, es wird ein schöner Fall werden. Du
spürst nichts.«
»Und wenn nicht? Schießt du dann?«
»Für wie dämlich hältst du mich? Eine Schusswunde ist schwer zu
erklären. Glaub mir, Gerhard, meine Ausbildung hat mich einiges gelehrt. Du
wirst da unten liegen. So oder so.«
In dem Moment zerschnitt ein Geräusch seine Worte. Beide Männer
sahen zum Himmel. Da stürzte der Heli herein, Paul hing in seinem Gurt, Gerhard
sah nur noch das Gewehr, dann hörte er den Laut, den Piet von sich gab. Etwas
ließ ihn straucheln. Gerhard hechtete zur Seite irgendwie in die Dornenbüsche.
Ein Schuss löste sich. Überall war Staub, der Rotor war so laut, dass sein
Trommelfell zu bersten schien. Er lag da in den Dornen und wartete auf den Tod.
Das Rotorengeräusch ebbte ab. Er hörte Rufe.
»Gerhard, where are you ?«
Steinchen rollten und rieselten.
Gerhard richtete sich auf. Da stand Paul, sein Gewehr in der Hand.
Die andere Hand reichte er Gerhard.
»Careful« , sagte er nur. Sie
standen auf dem kleinen Trampelpfad, vor ihnen lag Piet im Sand. In seinem
Rücken steckte der Pfeil.
»Hast du, hast du …?« Gerhards Stimme versagte.
»Ihn erschossen? Nein, nur betäubt.« Paul sah auf den Mann vor ihm
herunter, zog den Pfeil heraus. »Piet, wie konntest du nur?« In seinen lustigen
Augen lag so viel Schmerz. Paul fesselte ihm die Hände auf dem Rücken. »Er wird
in fünf Minuten wieder da sein.«
Oben auf der Kante der Klippe kamen Jeeps zu stehen, Männer in
Uniform rutschten den Hang hinunter. Einer legte über die Fesseln noch
Handschellen. Ein anderer hatte Piet seinen Stiefel ins Kreuz gestellt. Der
dritte, ein großer schmaler Mann mit eisblauen Augen, tauschte schnelle Sätze
in Afrikaans mit Paul aus. Dann wandte er sich an Gerhard, stellte sich als
Samuel White vor.
»Sind Sie verletzt?«,
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