Markttreiben
fragte er.
»Nein, nur ein paar Kratzer, ich versteh nicht, ich?« Hilfe suchend
wandte sich Gerhard an Paul.
»Als ihr gerade weg wart, kam Samuel mit ein paar Leuten auf die
Farm. Sie wollten Piet sprechen, dringend sprechen. Mir war klar, dass sie euch
mit den Jeeps womöglich nicht mehr erreichen würden. Adam«, er wies auf den
Piloten, »war gottlob mit dem Heli noch da. Ich hatte eine Idee, wo ihr wart.
Ich habe Piet gesehen, als er mit der Pistole auf dich gezielt hat.« Er zuckte
mit den Schultern.
So einfach war das. Ein gezielter Fangschuss. Der beste Schütze von
Afrika. Paul, der immer traf. Diesmal nicht in die Arschbacke, sondern in den
Rücken. Einer hatte Piet doch besiegt, einer, der aus der Luft gekommen war wie
das Jüngste Gericht und sich wie ein Adler auf das Raubtier gestürzt hatte. Der
Adler hatte gesiegt. Aber warum plötzlich dieses Aufgebot an Polizei?
Der Große wandte sich an Gerhard, seine Stimme war ruhig und
souverän. »Wir würden Sie nun bitten, mit meinen Kollegen zur Farm
zurückzufahren. Ich muss später mit Ihnen reden. So weit liegt das nun in
unseren Händen. Sie sind inoffiziell hier, Sie sind als Tourist eingereist,
Herr Kommissar Weinzirl.« In seinen Worten lag eine Rüge. Auch klang ein »Und
nun haben wir den Schlamassel am Hals« mit. Er räusperte sich. »Herr Patterson
ist südafrikanischer Staatsbürger, alles Weitere klären unsere Behörden.«
Er drehte sich weg, und zwei weitere Männer wie Schränke waren neben
Gerhard getreten. Es war fast, als führten sie ihn ab. Zwischen den Männern
erklomm Gerhard die Klippe, sein Körper schmerzte. Er blutete aus vielen
kleinen Schnittwunden, seine Knie waren aufgeschlagen, er merkte, dass sein
Knöchel gegen den Stiefel anschwoll. Er wollte nicht so unwürdig humpeln, aber
fast wäre ihm der Knöchel weggesackt. Paul, der ebenfalls hinter ihm den Hang
hochgekommen war, sagte etwas auf Afrikaans. Einer der Männer antwortete, es
war spürbar, dass Paul eine Instanz war. Die coole Sau, das war er wirklich. Da
hatte Jo schon recht.
Jo! Was würde auf der Farm los sein? Irgendwie ging Gerhard das
alles zu schnell.
»Ich hab deinen Begleitern gesagt, dass ich mich nachher um deine
Verletzungen kümmere, Adam setzt mich auf Piets Nest ab. Ich lade nur schnell
meine Sachen aus.« Er lächelte. »Falls es dir nichts ausmacht, von einem
Veterinär behandelt zu werden. Aber bis wir einen anständigen Humanmediziner
dahaben, vergehen Stunden. Und das, was Vaalwater zu bieten hat, ist eher ein
Medizinmann. So long. «
Adam startete den Heli, sie duckten sich alle, feiner Staub
vernebelte einmal mehr die Sicht. Als sie zum Himmel blickten, war der Heli
bereits entschwunden. Die Männer wiesen auf den Jeep, in den Gerhard einsteigen
sollte. Während er mühsam reinkletterte, kam Piet über die Kuppe. Die Hände
gefesselt, der Große hatte eine Waffe auf ihn gerichtet. Ganz kurz trafen sich
Gerhards und Piets Blicke. Es lag so etwas wie Verwunderung in den Augen des
Mannes mit dem Doppelleben – und Anerkennung. Gerhards Jeep rumpelte davon.
Gerhard sah Piet vor sich, immer nur Piet. Piet, den brillanten Erzähler, den
markigen Farmer, den lässigen Gastgeber seiner opulenten Diners, den soften
Tierliebhaber. Er wäre ein Kumpel gewesen und war ein Mörder. Er hatte ihn
umbringen wollen, und doch spürte Gerhard keinen Hass. Er hatte Miri
umgebracht. Immer noch kein Hass, nur eine nie gekannte Verzweiflung. Nur das
Wissen, dass er weit über seine Grenzen gegangen war. In Welten eingetaucht,
die so weit weg waren von seinem banalen Leben im Pfaffenwinkel. Er hatte
versagt. In jeder Hinsicht.
Der Jeep schepperte weiter, die Sonne fiel herunter,
Götterdämmerung! Südafrikas Dämmerung war so kurz, und heute hatte jemand das
Licht besonders schnell abgedreht, schien es Gerhard. Als sie auf die Farm
fuhren, war es draußen stockdunkel. Überall in den Dornbüschen flackerten Augen
auf, Tieraugen in der Nacht. Die Farm selbst lag da wie in einem
Südafrika-Bildband. Lichtreflexe spielten auf dem Pool, Fackeln säumten die
Wege. Alles war wie immer – und doch würde nichts mehr sein wie zuvor.
SECHZEHN
Stehen, im Schatten
des Wundenmals in der Luft.
Für-niemand-und-nichts-Stehn.
Unerkannt,
für dich
allein.
Mit allem, was darin Raum hat,
auch ohne
Sprache.
Helen war als Erste am Jeep. Sie half Gerhard, auszusteigen; in
ihren Augen lag ein so tiefer Schmerz, dass es ihm wehtat. Dann kam Jo
angerannt, die stoppte wie
Weitere Kostenlose Bücher