Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
Vom Netzwerk:
ein galoppierendes Pferd vor einem Zaun. Als sie
Gerhard sah, begann sie zu weinen. Niemand sagte ein Wort. Paul kam ihnen über
die Wiese am Pool entgegen und versuchte einen Scherz. »Houston, ich übernehme
jetzt.« Er stützte Gerhard nun anstatt der zierlichen Helen. Sie mussten ein
komisches Bild abgeben. Der humpelnde völlig zerschrammte Gerhard, der wie ein
Jammerlappen an Paul hing. Zwei Frauen hinter ihnen, die eine in Tränen
aufgelöst, die andere zu Eis erstarrt, mitten im blühenden Leben rundum.
    Auf der Terrasse saßen die Engländerinnen und das amerikanische
Honeymoonpärchen und waren kalkweiß unter der Sonnenbräune. Sie klammerten sich
alle an ihren Tonics fest, es war ihnen anzusehen, dass sie nichts begriffen.
    Paul hatte im Kaminzimmer eine Art mobiler Praxis aufgebaut. »Ist
alles auf Viecher ausgelegt, aber ich denk mal, Röntgenplatte ist
Röntgenplatte.« Er begann Gerhards Knöchel zu untersuchen, erstaunlich
vorsichtig, nur einmal wäre Gerhard am liebsten durch die Decke geschossen.
Dann drapierte Paul den Knöchel auf die Platte. Zwei Bilder machte er, er
arbeitete präzise und ruhig. Gerhard war froh um die Sprachlosigkeit. Paul
verschwand kurz und kam dann wieder.
    »Nichts gebrochen, ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die Bänder
noch intakt sind. Eine massive Überdehnung und Prellung, würde ich sagen.« Er
warf Gerhard eine Salbe zu. »Für Pferde, hilft am besten. Ich tape dir das
jetzt nicht; die Schwellung ist zu stark. Hochlegen, Eis drauf, schmieren. So –
und jetzt sollten wir die Wunden etwas säubern. Wie schaut es mit deinem
Tetanusschutz aus?«
    »Ja, der müsste noch passen. Ich hatte, ich hatte …« Wann war das
gewesen, als er in einem Gipsbehälter gelandet war? Er brachte es allmählich
auf eine stattliche Anzahl von »Arbeitsunfällen«, dachte Gerhard bitter.
    »Gut«, sagte Paul und begann die Wunden zu säubern, auszukratzen und
mit einer brennenden Tinktur zu überziehen. Fast genoss Gerhard den Schmerz.
Der körperliche Schmerz lenkte von dem Feuer ab, das in seinem Inneren tobte.
Paul reichte ihm noch ein paar Schmerztabletten. Die Tür ging einen Spaltbreit
auf, und Jo streckte den Kopf herein.
    »Kann ich?«
    »Sicher.« Paul machte eine einladende Handbewegung. Während Paul
seine Siebensachen aufräumte, half Jo, Gerhard den Knöchel hochzulegen.
    »Ab?«
    »Nein, nur überdehnt und geprellt. Und ein paar Schnitte.« Paul
lächelte sie an.
    »Du siehst wie durch den Fleischwolf gedreht aus! Oh Scheiße!« Die
Tränen hatten wieder begonnen zu fließen. Helen war hereingekommen mit vier
Flaschen Bier in der Hand. Sie wirkte immer noch wie erstarrt. Sie verteilte
das Bier, und dann saßen sie alle vier da im Schein des Kaminfeuers, die
Flaschen stießen zusammen.
    »Ich bin euch eine Erklärung schuldig«, sagte Gerhard und begann zu
erzählen. Von dem toten Leo Lang, von Miri, von dem Betrug an einem alten
Bergwerkspatent, von Peter Paulus und seiner Wiederauferstehung aus der Lawine.
Wie er auf Piet Patterson gekommen war. Und er schloss seinen Bericht mit dem
Satz: »Es war Irrsinn, hierherzukommen und zu glauben, ich könnte hier auf
eigene Faust …« Er brach ab und schickte dann noch ein »Es tut mir so leid«
hinterher.
    Sie schwiegen. Paul war aufgestanden und hatte sich ein weiteres
Bier aus dem Kühlschrank geholt. Ein zweites reichte er Gerhard.
    »Tierärztlich verordnet.«
    »Paul, ich muss dir danken. Ohne dich …« Wieder gaben die
zusammenklingenden Flaschen ein dumpfes Geräusch von sich.
    Paul zuckte mit den Schultern. »Mir kam das alles zuerst so
unwirklich vor. Dieser Samuel, alles war so undurchsichtig. Aber Jo hat mir
dann gesagt, dass du eigentlich Kommissar bist und Piet nicht der, für den er
sich ausgibt. Dann sind wir geflogen.«
    Gerhard hatte Jos Blick gesucht.
    »Als ihr weg wart, brach hier die Hölle los. Polizei, Jeeps, alles
ging wild durcheinander. Da war dieser Samuel White, der uns aufhielt. Wir
wollten ja auch gerade zum ›game census‹ losreiten, hatten uns nur etwas verratscht mit Paul, den wir noch verabschieden
wollten.«
    »Aber wieso plötzlich Polizei?«, fragte Gerhard.
    »Baier«, sagte Jo leise. »Ich bin an dein Handy. Als wir hier
gewartet haben und dachten, wir müssten sterben vor Angst, hat Baier angerufen.
Du hast ihn ja wohl in der Nacht angerufen, und er hat dann rotiert. In
Botsuana mit diesem Schweizer gesprochen, gehört, dass Piet Patterson ein
ehemaliger Söldner gewesen ist, den

Weitere Kostenlose Bücher