Markttreiben
kein Durchdringen. Alles tot. Handys, Mails, alle
Verbindungen«, schloss Baier.
»Aber Baier, warum denn auf einmal diese Hektik? Ich meine, ja, ich
habe wegen Botsuana angerufen. Ja, ich wusste nun, dass er Deutsch spricht, ich
wusste sicher, dass er es ist. Aber im Prinzip war das unsere Hypothese ja zu
jeder Zeit. Warum auf einmal alle Hebel in Bewegung?«
»Maria Paulus hat mich angerufen. Oder besser das Heim. Kurz nachdem
Sie angerufen hatten. Ich sollte kommen.«
»Wie?«
»Sie hat eine Lebensbeichte abgelegt. Und sie hat mir gesagt, dass
ihr Sohn ahne, dass Sie da unten sind. Sie wollte Ihr Leben retten. Wenigstens
ein Leben retten, wo sie das von Miri doch nicht hatte retten können. Sie ist
über ihren Schatten gesprungen, diese harte Frau. Von da an ging alles ganz
schnell, musste schnell gehen.«
»Wusste sie von den Morden?«
»Ihr Sohn hat sich sicher nicht damit gebrüstet. Aber sie war bis
zum Ende kristallklar im Kopf. Sie dürfte die Zusammenhänge erkannt haben.«
»Aber warum? Warum auf einmal?«
»Wenn der Tod anklopft, ist es Zeit, aufzuräumen. Höchste Eisenbahn.
Nach mir kam der Geistliche für die letzte Ölung.«
Gerhard versuchte das alles zu begreifen.
»Sie ist gestorben. Noch in derselben Nacht. Genauer in den frühen
Morgenstunden. Die Nachtschwester hatte mich dann informiert. Ich war ja neben
dem Pfarrer Maria Paulus’ letzter Kontakt. Die Nachtschwester hat mir erzählt,
dass sie noch verzweifelt versucht hatte, den Sohn zu erreichen. Auch sie hatte
kein Glück mit dem Netz.«
»Aber das ist, das ist …« Jo schluckte schwer.
»Ein seltsamer Zufall? Schicksal? Grausam? Die so oft beschworene
ausgleichende Gerechtigkeit? Was weiß ich!« Baier sagte das so düster.
Epilog
Wieder Begegnungen mit
vereinzelten Worten wie:
Steinschlag, Hartgräser, Zeit.
Es waren drei Wochen vergangen. Gerhard traf sich mit Jo und Baier
bei Toni. Sie saßen draußen unter der Markise. Bestellten. Jo ihren
Bauernsalat, Gerhard den Symposionteller. Baier mit einem Augenzwinkern eine
Seniorenportion vom Souvlaki. Jo ihren Athos weiß, die Männer ihr Weißbier.
»Paul hat mir eine Mail geschickt. Sie haben Piets Safe
aufgebrochen. Er hatte ein Testament gemacht. Er hat alles Helen geschenkt.
Eine Schenkung, egal wie seine Zukunft aussieht. Egal wie und wo er angeklagt
wird. Das wird so anerkannt. Er war ja durchaus der rechtmäßige Besitzer,
unabhängig von seiner Identität«, sagte Gerhard.
»Schön für Helen, dann hat sie ihre Heimat noch. Schön.«
Ihre zweite Heimat, dachte Gerhard. Eine zweite Heimat, die mit so
viel Blut und Tränen verbunden war.
»Ich hab auch was erfahren«, sagte Baier. »Sie werden Miris Tagebuch
oder ihre Anklageschrift veröffentlichen. Ein großer Verlag.«
»Aber das hilft ihr auch nichts mehr«, sagte Gerhard und spürte, wie
Tränen in seine Augen schossen. Er wurde auf seine alten Tage noch zur
Heulsuse.
»Aber vielleicht ein paar anderen«, sagte Jo. »Wie wird das Buch
denn heißen?«
»›Die langen Jahre‹«, sagte Baier.
ENDE
Zum Schluss
Es gibt Zeiten für Paul Celan. Das sagt Bettina Deutz und zeigt
Gerhard Weinzirl, der sicher alles andere ist als ein Lyrikliebhaber, ihr Buch.
Bei Paul Celan scheiden sich die Geister. Die einen halten das für verquasten
Unsinn, manche Deutschlehrer nerven mit ihrer Interpretationswut. Sei’s drum,
die Textstellen sollen auch Anregung sein, mal wieder Lyrik zu lesen. Deshalb
die Celan-Zitate über den Kapiteln, die alle aus der kommentierten
Gesamtausgabe von Suhrkamp * stammen.
Der Dank geht diesmal zuallererst an die Habersetzer-Oma und an die
gesamte Familie Habersetzer. Er geht an Irmi und Steffi. An Marlene. Er geht an
die hoch engagierten Ehrenamtlichen des Museums Klösterle und vor allem an
Hertwig Ludwig, der eigentlich selbst ein Buch schreiben müsste – so herrlich
kann er über den Bergbau in Peiting erzählen. Dank geht an den großartigen
Ludwig Waldinger vom LKA in
München, der für Krimischreiber immer ein offenes Ohr hat und tolle Ideen.
Herzlicher Dank geht an die gesamte Belegschaft von Ant’s Nest in Südafrika,
die mir so eindrückliche Erlebnisse geboten hat.
* Paul Celan, Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe, 2. Auflage,
Berlin 2003 (Suhrkamp Verlag)
Jutta Mehler
HONIGMILCH
Niederbayern Krimi
ISBN 978-3-86358-027-8
»Düsterer Wald, eine Frauenleiche und eine neugierige Hausfrau – mit Jutta Mehlers ›Honigmilch‹ um die Hobbyermittlerin
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