Marlene Suson 1
anderem.‚
Jetzt wurde Jerome einiges klar. In den vergangenen zwei Tagen war es mehrfach passiert, daß die Unterhaltung plötzlich stockte, wenn er sich einer Gruppe von Männern näherte. Wahrscheinlich hatten sie gerade über die Wette geredet – und über seine Frau.
„Denton braucht das Geld dringend‚, fuhr Oldfield fort. „Als Birkhall ihm die Wette anbot, soll Tony behauptet haben, für so viel Geld würde er selbst die Medusa samt jeder Schlange auf
ihrem Kopf verführen. Ach, da ist ja Marlborough. Ich muß ihm unbedingt etwas erzählen.‚ Damit hastete Oldfield davon, zwei- fellos um weiteres Gift zu verspritzen.
Im Halbdunkel der Kutsche betrachtete Rachel voll Unbehagen das harte Profil ihres Mannes. Wenn sie nur wüßte, was ihn so aus der Fassung gebracht hatte! Sie hatte gerade ein paar Worte mit Tony Denton gewechselt, als Jerome mit finsterem Gesicht auf sie zusteuerte und kategorisch erklärte, daß der Ball hiermit für sie beide beendet sei. Sie war ihm ohne Widerspruch gefolgt in der Hoffnung, er würde ihr diesen plötzlichen Aufbruch erklären. Doch nun fuhren sie stumm in der Kutsche dahin, und er machte keine Anstalten, sie aufzuklären.
Schließlich fragte sie: „Was ist eigentlich los?‚
„Rachel, ich muß darauf bestehen, daß du dich von Anthony Denton fernhältst. Man tuschelt bereits über euch.‚
„Du wirst solchen Klatsch doch wohl nicht glauben!‚
„Das tut nichts zur Sache.‚
„Und ob! Jedenfalls für mich. Denkst du wirklich, ich würde ...‚
„Rachel‚, fiel er ihr ins Wort. „Es paßt mir nicht, daß meine Frau das Stadtgespräch von London ist.
Rachel begriff, daß Jerome ihr immer noch nicht traute, und das verletzte sie ebenso, wie es sie kränkte.
„Ich habe nichts Unrechtes getan, Jerome‚, begehrte sie mit erhobener Stimme auf. „Du sagst, du liebst mich, doch wenn du es wirklich tätest, würdest du mir vertrauen. Liebe bedeutet Ver- trauen. Deine Unfähigkeit, mir zu vertrauen, wird irgendwann unsere Ehe zerstören.‚
Jeromes Augen wurden schmal. „Wenn du mein Vertrauen willst, dann beweise mir, daß du es verdienst. Gib Denton den Laufpaß.‚
Rachels Schmerz verwandelte sich in Zorn. Sie verdiente Je- romes Mißtrauen nicht, weder in bezug auf Denton noch auf ir- gendeinen anderen Mann. Angriffslustig hob sie das Kinn. „Nein, das werde ich nicht tun.‚
Ein Muskel in Jeromes Kiefer zuckte. „So viel bedeutet Den- ton dir?‚
„Er bedeutet mir überhaupt nichts. Aber Tony ist nur der An- fang. Nächste Woche wird es irgendein anderer sein, dem ich den Laufpaß geben soll. Ach, Jerome, warum traust du mir nicht? Ich
liebe dich doch, und ich bin nicht Cleo Macklin. Bitte behandle mich nicht, als wäre ich sie.‚
„Hör mir zu, Rachel. Für Denton steht bei dieser Sache viel mehr auf dem Spiel, als du glaubst.‚ Jerome berichtete ihr von der Wette zwischen Birkhall und Tony und von der finanziellen Misere, in der letzterer sich befand.
Rachel konnte für zwei Männer, die eine so geschmacklose Wette abschlossen, nur Verachtung empfinden. „Wie du selbst sagst, ist der Name der bewußten Frau nicht gefallen‚, wandte sie ein.
„Nein, aber jeder geht davon aus, daß du es bist.‚
„Falls das zutrifft, wird Tony verlieren.‚
„Um Himmels willen, Rachel, warum willst du nicht auf mich hören? Denton ist verzweifelt. Deshalb mußt du ihn meiden. Ihm ist alles zuzutrauen, List und Tücke – vielleicht sogar Gewalt.‚
Brütend saß Jerome an seinem Nußbaumschreibtisch in der Bibi- liothek von Westleigh House. Vor ihm lag das Hauptbuch, doch er schenkte ihm keine Beachtung. Vor zwei Tagen hatte Oldfield ihm von der Wette zwischen Birkhall und Denton erzählt, und seitdem war ihm diese Sache nicht mehr aus dem Kopf gegangen.
Rachels Weigerung, Denton zu meiden, hatte nicht eben zum Seelenfrieden ihres Mannes beigetragen.
Jerome glaubte nicht, daß Rachel ihm tatsächlich mit Denton Hörner aufsetzen würde, jedenfalls nicht freiwillig. Doch er war davon überzeugt, daß dieser Windhund alles daransetzen würde, um die lukrative Wette zu gewinnen. Rachel hatte ihm nicht geglaubt, als er sie eindringlich darauf hingewiesen hatte, aber ebensowenig hatte sie geglaubt, daß jemand ihr ans Leben wollte.
Mit einem Seufzer öffnete Jerome das Hauptbuch und fand darin wieder ein Briefchen von Rachel. Er entfaltete es und las:
„Mein liebster Gemahl, ich liebe dich mehr, als Worte sagen kön- nen. Bitte besiegle unsere
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