Marlene Suson 1
Frühstückstablett jedoch nicht. Es war noch immer auf dem Tisch, wo Tilly es abgestellt hatte. Verdammt, es konnte Mittag werden, bis Rachel es bekam. Eigentlich wollte Jerome keine Zeit verlieren und auf dem schnellsten Weg hinunter zu Ferris eilen, doch jetzt ging Rachel vor.
Mit einem gemurmelten Fluch griff er nach dem Tablett, auf dem ein abgedeckter Teller, eine Tasse, eine Teekanne mit in- zwischen vermutlich kaltem Inhalt und ein Kännchen mit Milch standen. Er trug das Tablett den Flur hinunter zu Rachels Zimmer.
Der Schlüssel steckte von außen im Schloß. Während er das Tablett auf einer Hand balancierte, schloß er mit der anderen die Tür auf und klopfte dann.
„Wer ist da?‚ rief Rachels warme Stimme, die ihm ins Herz zu dringen schien.
„Das Frühstück!‚
„Geh weg!‚ Ihre Stimme war plötzlich kalt. „Ich will dich nicht sehen.‚
„Nein?‚ Er öffnete die Tür und betrat ihr Zimmer. „Zu schade, daß dir das nicht schon gestern abend eingefallen ist.‚
Rachel sprang auf. Sie hatte an einem kleinen Tisch am Fen- ster gesessen. Ihr rosaseidenes Negligé stand am Hals offen und gewährte ihm einen flüchtigen Blick auf die Mulde zwischen ihren Brüsten, bevor sie es mit der Hand zusammenraffte. „Du kannst doch nicht einfach hereinkommen! Ich bin noch nicht angezogen.‚
„Letzte Nacht hattest du bedeutend weniger an‚, gab er zu- rück und stellte das Tablett ab. „Hier ist dein Frühstück.‚
Das Negligé malte die Linien ihres verführerischen Körpers ab. Heißes Verlangen schoß in ihm hoch, und er biß die Zähne
zusammen. Er hatte gedacht, sein Verlangen sei gestillt, nach- dem er Rachel genommen hatte, doch jetzt wurde ihm klar, daß das absolut nicht der Fall war.
Die Aussicht, Wingate Hall ohne sie zu verlassen, machte ihn ganz elend.
Er wollte sie in die Arme nehmen, um sie zum Mitkommen zu überreden, doch sie stieß ihn zurück. „Rühr mich nicht an!‚
„Komm mit mir, Rachel. Glaub mir, du wirst unter meinem Schutz viel glücklicher sein als hier. Ich werde gut für dich sor- gen, und es wird dir an nichts fehlen.‚
„Abgesehen von deinem Namen.‚
In ihrem Gesicht malte sich so viel Schmerz und Enttäuschung ab, daß Jerome unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Kein Mensch hatte ihn je zuvor so angesehen. Wieder kam er sich vor wie ein Schuft.
Ihre Lippen kräuselten sich verächtlich. „Jetzt ginge ich nicht einmal mehr mit dir, wenn du mir die Ehe anbieten würdest.‚
Jerome glaubte ihr nicht. Wenn er ihr einen Antrag machte, würde sie ihre Meinung sehr schnell ändern. Schon allein um Herzogin zu werden, dachte er bitter.
„Ich werde dir die Ehe nicht anbieten, Rachel, aber ich möchte dich auch nicht hierlassen. Ich traue deiner Tante nicht.‚ Er hielt Sophia durchaus für fähig, Rachel als Gespielin an Felix zu verkaufen. Bei der Vorstellung ballte Jerome unwillkürlich die Fäuste. „Komm doch mit mir.‚
„Wozu? Um als Mätresse mit einem Mann zu leben, der mich verachtet?‚ Sie hob das Kinn und begegnete seinem Blick mit stolzen, flammenden Augen. „Niemals! Ich ziehe es vor, hierzu- bleiben. Du hast getan, worum ich dich gebeten habe. Ich danke dir dafür. Und jetzt, bitte geh!“
Jerome konnte nicht anders, er mußte ihre Entschlossenheit und ihren Mut bewundern. Er dachte daran, wie weich und hin- gebungsvoll sie in der Nacht in seinen Armen gelegen hatte. Und wie leidenschaftlich sie ihn geliebt hatte. Er würde alles für sie tun ... außer ihr die Ehe anzutragen.
„Rachel, du weißt nicht, was dich hier erwartet. Die Gesell- schaft wird dich ausstoßen.‚
„Besser als eine Ehe mit Lord Felix.‚
„Hör zu, Rachel, nach dieser Nacht könntest du ein Kind er- warten.‚ Zumindest hatte Jerome nichts getan, um es zu verhin- dern. Er war vor Begehren blind und taub gewesen und unfä-
hig, auch nur einen Gedanken an Vorsichtsmaßnahmen zu ver- schwenden.
„Oh, glaubst du?‚ fragte sie erschrocken. Offenbar hatte sie an die Möglichkeit noch gar nicht gedacht. Sie warf den Kopf zurück. „Und wenn es so ist, dann soll es nicht deine Sorge sein.‚
„Natürlich ist es das. Schließlich wäre es auch mein Kind.‚
Abschätzend sah sie ihn an. „Würde es dir etwas bedeuten?‚
„Selbstverständlich.‚ Jerome wünschte, ihm bliebe mehr Zeit, sie zu überreden, doch jetzt mußte er unbedingt hinunter zu Ferris. „Ich habe noch etwas zu erledigen. Denk inzwischen da- rüber nach, was ich gesagt habe. In ein
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