Marlene Suson 1
durch- aus in der Lage, mir selbst eine Frau auszuwählen.‚
Morgan hob eine Braue. „Tatsächlich, Euer Gnaden? Und wieso sind Euer Gnaden dann noch nicht verheiratet?‚
„Sei unbesorgt. Sowie ich wieder auf Royal Elms bin, mache ich Emily Hextable einen Antrag.‚ Wieso fiel ihm bei diesem Gedanken plötzlich das Jüngste Gericht ein?
„Du trägst dich schon seit Jahren mit der Absicht, Sankt Emily einen Antrag zu machen, und hast es trotzdem nie getan? Wes- halb nicht?‚
Auf die Frage wußte Jerome keine Antwort.
„Ich werde dir sagen, weshalb. Weil du tief in deinem Herzen genau weißt, daß diese humorlose, bigotte Betschwester dich zu Tode langweilen wird.‚
„Ich bin ihr moralisch verpflichtet‚, gab Jerome bockig zu- rück.
„Wieso glaubst du das? Hast du Emily gegenüber je geäußert, daß du den Wunsch hast, sie zu heiraten?‚
Das hatte Jerome zwar nicht getan, doch er hatte ihre Hoff- nungen auch nicht entmutigt, wie er es bei anderen Frauen gemacht hatte. „Nein, aber es war der Wunsch unserer beiden Väter. Und es ist auch Emilys Wunsch.‚ Nur aus diesem Grund hatte sie der Londoner Gesellschaft entsagt, um in der Nähe von Royal Elms zu sein, wenn er sich dort aufhielt. Tatsächlich hatte der Gedanke, daß sie auf seinen Antrag wartete, ihn immer ein wenig irritiert. Trotzdem hatte er nichts dagegen unternommen, weil er sich – wenn er ehrlich war – ganz einfach eine Hinter-
tür offenlassen wollte. Und das, wie Morgan ganz richtig gesagt hatte, schon seit Jahren.
„Viele Frauen haben Träume, die unerfüllt bleiben‚, sagte Morgan. „Ich schwöre dir, Jerome, wenn du Emily heiratest, komme ich nie zurück nach Royal Elms. Heirate Rachel. Sie wird dich nicht langweilen.‚
Nein, das wird sie wahrlich nicht, dachte Jerome. Sie wird mich schockieren, verrückt machen, entzücken – und betrügen. Aber langweilen wird sie mich nie.
„Rachel ist die ideale Frau für dich.‚
„Die ideale Frau?‚ wiederholte Jerome mit erhobener Stimme. „Eine Frau, die jedem Mann den Mund wäßrig macht, wenn er sie nur anschaut.‚
„Bei einer Ehefrau ist das irrelevant.‚
„Bei meiner nicht.‚
„Ausschlaggebend ist doch nur, ob sie ihrem eigenen Mann treu ist. Ein Mann, der dafür sorgt, daß seine Frau ihn liebt, hat keinen Grund, an ihrer Treue zu zweifeln.‚
„Eine so schöne Frau wie Rachel wird sich nie mit einem ein- zigen Mann zufriedengeben‚, knurrte Jerome.
„Du tust ihr Unrecht. Sie ist nicht wie Cleo Macklin und Kon- sorten.‚
„Da bist du aber auf dem Holzweg.‚ Jeromes Puls beschleu- nigte sich, als er dran dachte, wie erfolgreich Rachel ihn gestern im Kavaliershaus verführt hatte. „Du hättest sie gestern nacht erleben sollen.‚
„Aber Jerome, ich mußte ihr doch erst zeigen, wie man es macht‚, sagte Morgan grinsend. „Dieses unschuldige Kind hatte nicht die geringste Ahnung.‚
Wütend blitzte Jerome seinen Bruder an. „Willst du etwa be- haupten, du hast ihr beigebracht, wie sie mich verführen soll?‚
„Genau‚, bestätigte Morgan, eindeutig stolz auf den Erfolg seiner Bemühungen. „Ich wußte doch, daß ich dir damit das Ge- schenk deines Lebens mache. Glaub mir, wenn ich nicht sicher wäre, daß Rachel die ideale Frau für dich ist, hätte ich selbst versucht, sie für mich zu gewinnen. Hoffentlich begreifst du, welches Opfer ich dir gebracht habe. Du solltest mir auf Knien danken.‚
„Dafür, daß du mich in diesen Skandal verwickelt hast? Ich könnte dich erwürgen.‚
„Wirst du aber nicht‚, gab Morgan ungerührt zurück.
Jerome zügelte seinen Ärger und schaute zum Haus hinüber. Seine Reisekutsche war vorgefahren. „Dein Vertrauen in Rachel ging freilich nicht so weit, ihr deine Identität preiszugeben, nicht wahr?‚ fragte er ironisch.
„Es hätte mir nicht das geringste ausgemacht. Sie hätte mich nie verraten. Ich würde ihr jederzeit mein Leben anvertrauen. Genau genommen hat sie es ja schon einmal gerettet, denn ohne sie wäre ich nicht mehr am Leben.‚
„Was soll das bedeuten?‚ fragte Jerome stirnrunzelnd.
„Nachdem man mich angeschossen hatte, hat Rachel ihren Ruf und womöglich noch mehr aufs Spiel gesetzt, um mich dem Tod von der Schippe zu kratzen. Wie sie übrigens auch schon die halbe Nachbarschaft mit ihren Kräutertränken geheilt hat. Wenn die Kranken sie brauchen, ist sie für sie da, unabhängig von ihrem Stand. So benimmt sich keine egoistische, leichtsin- nige Schönheit.‚
Nein,
Weitere Kostenlose Bücher