Marlene Suson 1
Verachtung er sie heute morgen zurückgewiesen hatte.
Was hatte ihn dazu gebracht, seine Meinung so plötzlich zu ändern? Wieso wollte er sie jetzt heiraten? Auf jeden Fall bewies sein hartes Gesicht, daß es nichts mit unsterblicher Liebe zu tun haben konnte. Und sie konnte den Gedanken nicht ertragen, an einen Mann gebunden zu sein, der sie nicht wollte. Das ließ weder ihr Stolz noch ihr Herz zu.
Nach einer Weile meinte Jerome beiläufig: „Es wundert mich, daß eine so eintönige Landschaft dich dermaßen faszi- niert.‚
Er hatte recht, und sie wandte sich ihm wieder zu. Er strei- chelte noch immer den kleinen Hund, der zufrieden auf seinem Schoß lag. Rachel erinnerte sich nur zu gut daran, welche Wun- der diese wohlgeformten Hände bewirken konnten, und diese Er- innerung unterminierte ihre Widerstandskraft. „Wo bringst du mich hin?‚
„Nach Parnlee, mein Jagdhaus in der Nähe von York.‚
Wieso nach Parnlee und nicht nach Royal Elms, wenn er sie wirklich heiraten wollte? Schämte er sich ihrer zu sehr, um sie auf seinen Herzogssitz zu bringen? Der Gedanke tat weh, doch
sie mußte damit leben. „Mein Onkel wird uns folgen‚, sagte sie, wußte jedoch, daß das eine leere Drohung war.
„Für deinen Onkel ist nur von Interesse, ob ich dich heirate, und das habe ich ja versprochen.‚
„Und ich habe dir gesagt, daß ich dich nicht ...‚
„Ich weiß‚, fiel er ihr ins Wort. „Du verschwendest nur deinen Atem – ganz zu schweigen davon, daß du dich wiederholst. Laß uns endlich das Thema wechseln, ja?‚
Rachel seufzte. „Wie lange willst du auf Parnlee bleiben?‚
„So lange, wie es dauert, dich zu Verstand zu bringen, damit du meinen Antrag annimmst.‚
„Das würde bedeuten, meinen Verstand zu verlieren‚, gab sie spitz zurück. Lieber wollte sie ihre Tage als alte Jungfer be- schließen, als einen Mann zu heiraten, der sich nicht einmal die Mühe machte, sie ordnungsgemäß um ihre Hand zu bitten. „Ich heirate dich nicht.‚
Spöttisch hob er eine Braue. „In dem Fall werden wir sehr lange auf Parnlee bleiben müssen.‚
Er wirkte nicht im geringsten beunruhigt. Das sah ihm ähn- lich! Bei seiner übersteigerten Selbsteinschätzung war er sicher, leichtes Spiel mit ihr zu haben, wenn sie erst einmal in seinem Jagdhaus war.
Dieser Gedanke machte Rachel so wütend, daß sie hervorstieß: „Es ist mir egal, was du mit mir anstellst – mich in den Kerker sperren oder aufs Rad flechten ...‚
„Ach nein‚, unterbrach er sie mit einem so frechen Grinsen, daß sie errötete. „So schlimme Dinge habe ich nicht mit dir vor.‚ In seinen Augen glomm es auf.
Rachel war sicher, daß er jetzt daran dachte, zu welchen schockierenden Reaktionen seine Kunstfertigkeit in Liebesdin- gen sie in der vergangenen Nacht verführt hatte. Sie spürte, daß sie noch tiefer errötete.
Maxi war auf dem Schoß des Herzogs eingeschlafen. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, legte Jerome ihn auf den gegenüberlie- genden Sitz.
Die Kutsche rumpelte in hohem Tempo um eine Straßenbie- gung, und Rachel wurde gegen Jerome geschleudert. Er legte den Arm um sie und hielt sie fest. Unwillkürlich erschauerte sie. Sie atmete seinen angenehmen Geruch ein und wünschte sich plötz- lich, von ihm geküßt zu werden, so wie er sie in der Nacht ge- küßt hatte. Er tat es nicht, doch er ließ sie auch nicht los. Die
Wärme seines Körpers wirkte so tröstlich, daß sie es nicht über sich brachte, freiwillig von ihm abzurücken. Ein paar Minuten fuhren sie schweigend weiter.
Schließlich fragte Jerome: „Was war das für ein Haus, in das du mich gestern gebracht hast? Für ein Pächterhaus war es zu komfortabel.‚
„Mein Großvater hat es gebaut, um dort seine jeweilige Mätresse unterzubringen, wenn er sich gelegentlich in Yorkshire aufhielt.‚
„Hat dein Vater es auch benutzt?‚
„Aber nein! Papa hatte dafür keine Verwendung. Er sagte im- mer, Gott habe ihn mit der einzigen Frau beschenkt, die er in sei- nem ganzen Leben geliebt hat. Er hat das Kavaliershaus schließen lassen.‚
Ein zynisches Lächeln umspielte Jeromes Lippen. „War deine Mutter ihm ebenso treu, wie er ihr?‚
„Ja, natürlich!‚ rief Rachel entrüstet. Wie konnte er überhaupt fragen! „Sie hat Papa angebetet. Die beiden waren sehr glücklich miteinander.‚
„In dem Fall war dein Vater wirklich ein glücklicher Mann‚, sagte Jerome sinnend.
„Sie haben sich so geliebt.‚ Rachels Stimme klang wehmütig. „Nach
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