Marlene Suson 1
welcher Schandtaten sie ihren jüngeren Bruder verdächtigten. Vermutlich würde sie es gar nicht glauben.
In sein Gesicht trat ein entschlossener Ausdruck. „Ich werde dafür sorgen, daß sie bei mir sicher ist.‚
„Ja, das mußt du. Ich mag Rachel nämlich sehr.‚
„Wie sehr?‚ entfuhr es Jerome, doch schon im nächsten Augen- blick schämte er sich dieses plötzlichen Anfalls von Eifersucht.
Was, zum Teufel, war nur los mit ihm? Es gab niemanden auf der Welt, dem er so vorbehaltlos traute wie seinem Bruder.
„Eifersüchtig, hm?‚ schmunzelte Morgan. „Das brauchst du nicht zu sein. Ich sagte dir doch, Rachel ist die Frau für dich, und ich bin auch bereit, meinem Lieblingsbruder ein Opfer zu bringen. Also, traust du mir so weit, mich mit meiner künftigen Schwägerin ein paar Minuten allein zu lassen? Ich habe etwas mit ihr zu bereden.‚
Fragend sah Rachel auf, als Morgan in den Salon kam, wo Maxi auf ihrem Schoß döste. „Wieso haben Sie mir geholfen, Ihren ei- genen Bruder zu entführen?‚
„Ich hatte versprochen, alles zu tun, worum Sie mich bitten, und ich halte mein Wort grundsätzlich. Außerdem bin ich entzückt darüber, Sie als Schwägerin zu bekommen. Ich glaube, daß Sie für meinen Bruder die ideale Frau sind.‚
„Ich wünschte, er würde das auch glauben.‚ Rachel spürte einen dicken Kloß im Hals. „Er will mich eigentlich gar nicht heiraten, wissen Sie? Obwohl er es jetzt doch tut.‚
Morgan setzte sich ihr gegenüber. „Was möchten Sie, Rachel?‚
Unglücklich schaute sie auf ihre Hände hinab, die auf Ma- xis silbrigem Fell ruhten. „Jedenfalls keinen Mann, der mich nicht will.‚
„Aber Jerome will Sie ja! Glauben Sie mir, ich kenne meinen Bruder besser als jeder andere. Es ist nur so, daß er jetzt einfach noch nicht zugeben kann, wieviel ihm an Ihnen liegt.‚
Rachel fragte sich, ob sie es wagen durfte, sich an diesen Hoffnungsschimmer zu klammern. „Warum kann er es nicht zu- geben?‚
„Weil Sie so wunderschön sind. Mein Bruder mißtraut schönen Frauen, und das aus gutem Grund. Ein Grund mit Namen Cleo- patra Macklin.‚
Rachel erinnerte sich daran, was Eleanor Paxton zu diesem Thema gesagt hatte. „Aber die hat er doch sitzenlassen.‚
„Als Jerome achtzehn war, hat er sich bis über beide Ohren in sie verliebt. Cleo war seine erste Liebe. Er trug sie auf Händen und war entschlossen, sie zu heiraten, obwohl unser Vater absolut dagegen war.‚
„Weshalb war Ihr Vater dagegen?‚
„Er hatte Cleo durchschaut. Sie war unmoralisch und ruhm- süchtig, und sie machte Jerome nur etwas vor. Unglücklicher-
weise war mein Vater alles andere als ein guter Pädagoge und hat die Sache ganz falsch angefaßt. Es gehört viel Fingerspitzenge- fühl dazu, einen bockigen Halbwüchsigen zur Vernunft zu brin- gen, und mein Vater war leider ein rechthaberischer, verbohrter, autoritärer Zuchtmeister.‚
„Wie können Sie nur so von Ihrem Vater sprechen?‚ fragte Ra- chel schockiert.
„Weil es die Wahrheit ist. Anstatt behutsam und taktvoll an Jeromes Vernunft zu appellieren, verhöhnte er ihn. Er nannte ihn einen ausgemachten Trottel, weil er Cleo nicht als die liederliche, ausschweifende Kokotte erkannte, die sie war. Leider hatte Vater in diesem einen Punkt sogar recht.‚
„Was geschah dann?‚ fragte Rachel. Maxi hob den Kopf und stupste sie am Arm, und sie begann ihn abwesend zu streicheln.
„Es gibt keinen größeren Dickschädel als Jerome, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Er trotzte unserem Vater und ver- kündete in aller Öffentlichkeit, daß er sich mit Cleo verlobt hatte. Ein paar Wochen später erwischte er sie im Bett mit Anthony Denton.‚
„Tony!‚ Jetzt begriff Rachel auch, weshalb Jerome so wütend gewesen war, als er glaubte, sie hätte die Nacht mit Denton ver- bracht.
Morgans Augen wurden schmal. „Sie kennen ihn?‚
„Ja, er war einer der engsten Freunde meines Bruders Stephen. In der Nacht, als der Sturm mich bei Ihnen im Kavaliershaus festhielt, wähnte Jerome mich bei Tony.‚
Morgan stöhnte auf. „Denton ist auf Wingate Hall?‚
Rachel nickte.
Morgan sah sie scharf an. „Was halten Sie von ihm?‚
„Oh, er ist recht charmant und gutaussehend, aber ich muß gestehen, daß ich ihn nicht mag. Ich fürchte, er hat einen sehr schlechten Einfluß auf Stephen gehabt. Warum grinsen Sie?‚
„Ich bin beeindruckt, mit welchem Scharfblick Sie Denton durchschaut haben. Es gibt nicht viele Frauen, die dazu in der
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