Marlene Suson 2
vernachlässigt worden war. Ver- mutlich schämte er sich deshalb vor ihr, und sie tat, worum er sie gebeten hatte.
Als er ihr sagte, daß sie sich wieder umdrehen könnte, hatte er die Hose angezogen und das Nachthemd abgestreift. Be- wundernd hing ihr Blick an seiner nackten, gebräunten Brust. Die Natur mochte Stephen in bezug auf sein „Patengeschenk“ vernachlässigt haben, doch sein Oberkörper war makellos.
Stephen hatte den Kopf gesenkt und betrachtete zweifelnd die Hose. Megs Stiefvater war um die Hüften viel breiter gewesen als er.
Meg griff nach ihrem Nähkorb. „Ich werde ein paar Abnäher machen müssen.“
Während sie die Seitennähte feststeckte, wurde Stephen son- derbar still, und das Atmen schien ihm Mühe zu machen.
Als Meg ihre Aufmerksamkeit dem Hosenboden zuwandte, konnte sie einfach nicht übersehen, wie straff und wohlgeformt Stephens Hinterteil war. Eine seltsame, unbegreifliche Wärme stieg in ihr auf.
Als ihr zum Bewußtsein kam, was sie da mit solchem Wohlgefallen betrachtete, wurde sie feuerrot. Eine anständige Frau bemerkte diesen Körperteil bei einem Mann gar nicht, oder?
Sie riß sich zusammen und widmete sich wieder der Aufgabe, die sie zu erledigen hatte. Mit der Hand strich sie die Leder- hose glatt, um zu sehen, wo sie die Abnäher anbringen mußte. Es war merkwürdig aufregend, diese feste Rundung unter ihrer Hand zu spüren, und unwillkürlich ließ sie die Hand einen Au- genblick länger liegen als notwendig. Er zuckte zusammen und bewegte sich ein Stück nach vorn, so daß sie noch einmal von vorn anfangen mußte.
Als sie wieder versuchte, das Leder an seinem Körper glatt- zustreichen, hörte sie ihn scharf einatmen und einen leisen Fluch ausstoßen.
Es würde nötig sein, von der Taille abwärts zwei tiefe Abnäher zu machen. Meg schob die Finger unter den Hosenbund, um die Falte zu legen und das Leder dann abzustecken. Die Berührung mit seiner Haut, die überraschend weich und warm war, löste ein eigenartiges Prickeln bei ihr aus.
Mit der anderen Hand klopfte sie auf das Leder, um sich zu vergewissern, daß die Paßform in Ordnung war. Dabei glitt ihr die Falte, die sie am Hosenbund gelegt hatte, aus der Hand. Noch einmal schob sie die Finger zwischen Hose und Haut und versuchte erneut, eine Falte zu legen.
Als sie gerade die Nadel durch das Leder stecken wollte, um den Abnäher zu fixieren, stieß er einen derben Fluch aus. „Was, zum Teufel, machen Sie da mit mir?“
Meg glaubte, ihn mit der Stecknadel gestochen zu haben, und sagte entschuldigend: „Tut mir leid.“
Dann ließ sie die Hand innerhalb des Hosenbundes zur ande- ren Seite hinübergleiten – wobei ihr wieder nicht entging, wie
angenehm seine Haut sich anfühlte – und steckte den zweiten Abnäher ab.
„Es tut Ihnen leid, ja?“ fragte er mit gefährlich leiser Stimme. „Wieso fällt es mir eigentlich so schwer, Ihnen das zu glauben?“
Überrascht, sowohl von seiner Stimme als auch von der Frage, sah sie zu ihm auf. Er schaute über die Schulter zu ihr herab, und in seinen dunkelblauen Augen glomm ein seltsames Feuer. „Sie glauben doch nicht etwa, daß ich Sie absichtlich mit der Nadel gestochen habe?“
Er blinzelte verblüfft. „Ja, denken Sie denn, daß ich davon rede?“
„Nun . . . ja“, antwortete sie verwirrt. „Was sollte ich Ihnen denn sonst getan haben?“
Seine Mundwinkel zuckten. „In der Tat, was sonst!“
Meg fixierte den zweiten Abnäher und sagte geschäftig: „Jetzt wollen wir mal sehen, wieviel ich vorn noch einhalten muß.“
Sie hatte erwartet, daß er sich nun umdrehen würde, doch statt dessen trat er rasch einen Schritt vor, wobei er ihr weiter den Rücken zuwandte. „Lieber nicht.“
„Was?“ fragte sie verständnislos.
„Glauben Sie mir, im Augenblick braucht diese Hose vorn über- haupt keinen Abnäher“, versicherte er mit gepreßter Stimme.
„Sind Sie sicher?“ fragte sie zweifelnd.
„Ganz sicher, Sie Unschuldslamm.“
„Warum nennen Sie mich so?“
„Weil Sie nicht verstehen, weshalb ich Sie so nenne.“
„Sie sprechen in Rätseln“, sagte Meg verärgert.
„Das ist mitunter von Vorteil, wenn man mit Unschuldsläm- mern spricht. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muß dringend hinaus.“
Er hörte sich an, als hätte er wirklich Beschwerden, und sie fragte besorgt: „Weshalb? Ein menschliches Bedürfnis?“
Er schmunzelte. „So könnte man sagen.“
Meg wunderte sich, weil er sich in einer so sonderbaren
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