Marlene Suson 2
er sarkastisch: „Ihre Dankbarkeit überwältigt mich gera- dezu. Die Ernte hätten Sie ohne mich jedenfalls nicht geschafft. Außerdem haben Sie noch keinen Winter hier in der Wildnis erlebt.“
„Wir werden es schon überstehen.“
„Glauben Sie? Wenn ich dessen sicher sein könnte, würde ich gehen. Aber das bin ich eben nicht.“
„Gehen Sie nur.“
„Nein. Zum Teufel, Megan, für was für eine Art Mann halten Sie mich eigentlich?“
Aus großen Augen sah sie ihn bekümmert an. „Ich wünschte, ich wüßte es“, flüsterte sie. Ihre Lippen zitterten, und er sehnte sich danach, sie zu küssen. „Werden Sie denn sicher sein, wenn Sie hierbleiben?“
Mit gespieltem Gleichmut hob Stephen die Schultern. Wenn George sein unbekannter Feind war, gab es nirgendwo Sicherheit für ihn.
16. KAPITEL
Meg eilte heim, so schnell sie nur konnte. Charles Bentley, ei- ner ihrer Nachbarn, war am Morgen zum Blockhaus gekommen. Seine Frau Elizabeth, die im sechsten Monat schwanger war, hatte dringend nach Meg geschickt, weil sie eine Frühgeburt befürchtete.
Obwohl es sich glücklicherweise als Irrtum herausstellte, bat Elizabeth Meg inständig, noch ein wenig bei ihr zu bleiben. Meg hatte sich breit schlagen lassen, obwohl sie gar nicht daran denken durfte, wieviel Arbeit zu Haus auf sie wartete.
Nun trat Meg aus dem Wald heraus auf die Lichtung und blieb wie vom Donner gerührt stehen, als ihr Blick auf das Block- haus fiel. Hatte sie sich verlaufen? Ihr Blockhaus hatte plötzlich einen kleinen Anbau, der sogar mit einem Fenster versehen war!
Stephen kam mit langen Schritten auf sie zu. „Wie ist das möglich?“ rief Meg völlig entgeistert.
Er strahlte über das ganze Gesicht und wirkte dabei unglaub- lich liebenswert. Hinter ihm tauchten Josh und Wilhelm auf, die ebenfalls beide von einem Ohr zum anderen grinsten.
Mit ausgesuchter Galanterie verbeugte Stephen sich vor Meg und wies mit einer weit ausholenden Geste zu dem kleinen Anbau. „Ihr Boudoir erwartet Sie, Mylady!“
„Stephen wußte, wie sehr du dir ein eigenes Zimmer wünschst“, sagte Josh. „Er wollte dich überraschen.“
„Was ihm auch gelungen ist, wie man sieht“, bemerkte Wilhelm feixend.
Ja, da hatte er recht. Meg konnte noch gar nicht fassen, daß sie nun wirklich ihr eigenes Zimmer haben sollte.
Stephen nahm ihren Arm und führte sie ins Blockhaus. Die beiden Betten in den Ecken standen noch immer am alten Platz, doch Charles’ Bett, in dem Stephen geschlafen hatte, war fort.
Das kleine Fenster in der Wand dahinter war durch eine Tür ersetzt worden, die an ledernen Angeln hing.
Stephen stieß die Tür auf und trat zurück, damit Meg als erste ihr neues Schlafzimmer betreten konnte.
Charles’ großes Bett mit der Federmatratze stand an der Wand und nahm den größten Teil des kleinen Zimmers ein. Am Fuß- ende des Bettes entdeckte Meg ihren Lederkoffer. An der Wand hatten die Männer zwei Regale angebracht, und darüber hing der Spiegel mit dem Sprung.
Endlich hatte Meg ihre eigenen vier Wände, wo sie sich anzie- hen und Toilette machen konnte. Sie drehte sich zu Stephen um, der im Türrahmen stand. „Es ist einfach wunderbar! Ich bin so glücklich.“
Er strahlte. Man sah ihm an, wie sehr ihre Reaktion ihn freute. Ihre Blicke trafen sich, und ein Funke sprang über, der ihr Herz schneller klopfen ließ. Das plötzliche Glimmen in seinen Augen verriet ihr, daß er es auch gespürt hatte. Mit unsiche- rer Stimme fragte sie: „Wie haben Sie das nur fertiggebracht, Stephen?“
„Wenn die Männer hier an einem Tag ein ganzes Blockhaus hochziehen können, dann muß das ja wohl auch mit einem klei- nen Anbau möglich sein. Wilhelm und ich hatten bei einigen Nachbarn noch etwas gut. Voilà, hier ist das Ergebnis.“
„Waren Elizabeth’ angebliche Wehen nur ein Trick, um mich von hier wegzulocken?“
„Nun ja“, gestand Stephen.
Wilhelm erschien hinter Stephen im Türrahmen, und Meg rief: „Ich bin begeistert von meinem neuen Zimmer, und ich kann euch gar nicht genug dafür danken.“
Wilhelm lachte. „Dein glückstrahlendes Gesicht entschädigt uns für alles. Jetzt muß ich aber los.“
„Kann ich mit Wilhelm gehen, Meg?“ fragte Josh. „Ich möchte ein bißchen reiten.“
Meg war viel zu glücklich, um ihrem Bruder eine Bitte abzuschlagen.
Sie begleitete die beiden nach draußen, um sich zu verabschie- den, und kam dann sofort in ihr neues Zimmer zurück, als könnte sie sich gar nicht mehr davon
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