Marlene Suson 3
hört sich an wie ein verbotenes Jakobiter-Traktat.“
„Nein“, widersprach Morgan. „Es geht um Sozialphiloso- phie.“
„Philosophie!“ entrüstete sich Lady Elizabeth. „Ich bin schockiert. Keine wahre Lady würde sich mit einem so ... undelikaten Thema befassen.“
„Lady Daniela schon.“ Die Belustigung in Morgans Stimme war unüberhörbar.
Er verspottet mich! Danielas Herz wurde schwer wie Blei.
„Also wirklich“, näselte Elizabeth indigniert. „Manchmal glaube ich, daß dieses arme Ding sich für einen Mann hält.“
Daniela biß die Zähne zusammen. Ihre Wangen brannten vor
Zorn und Scham. Morgans Antwort wartete sie gar nicht erst ab. Sie hastete an Martha vorbei, aus dem Salon und hinauf in ihr Schlafzimmer.
Als Morgan am nächsten Tag aus dem Fenster sah, entdeckte er draußen Daniela. Er hatte sie seit ihrem überstürzten Abgang gestern abend noch nicht wieder gesehen. Sie trug ein kasta- nienbraunes Reitkleid und ging mit raschen Schritten den Weg entlang, der zu den Ställen führte.
Morgan eilte hinunter, so schnell er konnte. Er wollte Daniela dazu überreden, mit ihm nach Merrywood zu reiten und ihn bei Sir Jasper Wilton einzuführen. Als Vorwand sollte sein Interesse für französische Möbel dienen. In Wirklichkeit wollte er her- ausfinden, ob Sir Jasper vielleicht ein Jakobiter war, wie Basil vermutete.
Obwohl die Sonne schien, war der Nachmittag recht kühl. Ein scharfer Wind blies Morgan entgegen und ließ den langen Rock von Danielas Reitkleid flattern.
Bevor Morgan sie einholen konnte, kam ihr ein Stallbursche entgegengelaufen. „M’lady, kommen Sie schnell! Mit der braunen Stute stimmt was nicht.“
Daniela hastete los. Auf dem Stallhof sah Morgan die Stute am Boden liegen. Als Daniela durch das Gatter lief, kämpfte die Stute sich auf die Beine. Sie scharrte aufgeregt mit dem Huf über den Boden und trat nach ihrem Bauch.
„Seh’n Sie nur, wie sie sich aufführt!“ rief der Stallbur- sche.
Daniela griff hastig nach einem Stallhalfter, das über dem Zaun hing, eilte zu der Stute und fühlte ihre Temperatur. „Bring eine Decke her, Jimmy. Wir müssen sie warmhalten.“ Sie streifte der Stute das Halfter über den Kopf.
Jimmy brachte die Decke. „Was is’ los, Ma’am?“
„Sie hat eine Kolik. Ich führe sie ein bißchen herum. Das wird ihr sicher helfen.“
Langsam ging Daniela mit dem Pferd um den Hof herum. Als Morgan durch das Gatter kam, bemerkte sie ihn nicht, da sie ihm den Rücken zuwandte. Mit leiser, beschwichtigender Stimme sprach sie auf das Tier ein.
Morgan mußte daran denken, wie sehr es ihm gefallen würde, wenn sie in dem Tonfall mit ihm reden würde, während sie bei ihm lag.
Er stand schon fast neben ihr, als sie ihn bemerkte und sich zu ihm umdrehte. „Wollen Sie ausreiten, Mylord?“
„Ja.“ Er musterte Danielas braunes Reitkleid. Es war völlig unmodern, brachte aber die gefälligen Linien ihres Körpers gut zur Geltung. Wieder verspürte er den Wunsch, diesen Körper zu besitzen. „Sie hatten offenbar die gleiche Idee.“
„Ja, aber ich muß meinen Ritt aufschieben, bis es dieser armen Stute bessergeht.“
„Jimmy kann sich doch um sie kümmern.“
„Er ist zu unerfahren. Er arbeitet erst seit ein paar Tagen als Stallbursche.“
So sehr Morgan sich auch wünschte, daß Daniela ihn beglei- tete, ihre Antwort gefiel ihm. Er hätte sich an ihrer Stelle genauso verhalten. „Wären Sie denn bereit, mit mir nach Merrywood zu reiten und mich bei Sir Jasper einzuführen, wenn die Stute wie- der wohlauf ist? Ich bin überaus gespannt auf seine französischen Möbel.“
Daniela zog die Stirn kraus. „Das geht heute nicht. Ich bin nachher verabredet.“
Morgan fühlte einen Stich. War ihre Verabredung männlichen oder weiblichen Geschlechts? „Mit wem?“
„Ach, ihr Name wird Ihnen nichts sagen.“
Also eine Frau. Es überraschte Morgan, wie sehr ihn ihre Ant- wort erleichterte. Was ging es ihn an, mit wem sie sich traf? „Reiten Sie dann morgen mit mir nach Merrywood?“
„Nein, morgen kann ich auch nicht. Aber bei Gelegenheit wird es sich gewiß einrichten lassen“, schloß sie vage.
„Ich werde darauf zurückkommen. Inzwischen schaue ich mir die Gegend ein bißchen an.“ Das war gelogen. Er und Ferris hat- ten die Umgebung mittlerweile ziemlich eingehend durchforscht, um potentielle Jakobiter-Verstecke aufzustöbern. Jetzt ging es ihm nur um Danielas Gesellschaft. „Sobald Sie losreiten, kann ich Sie ja
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