Marlene Suson 3
Mann würde das nicht!“
Daniela machte ein finsteres Gesicht und schien sich plötzlich ungemein für die Umgebung zu interessieren.
Morgan fragte sich verdutzt, was er wohl gesagt haben mochte, um ihren Unmut herauszufordern. „Sie sagen, Ihr Bruder lehnt es ab, Wilton zur Kenntnis zu nehmen. Sie scheinen da aber anderer Meinung zu sein, oder?“
„Ja, ich bewundere Sir Jasper, weil er aus eigener Kraft soviel erreicht hat.“
„Wie bescheiden ist seine Herkunft denn?“
„Das kann ich auch nicht genau sagen, denn er spricht nie dar- über. Aus ein paar zufälligen Bemerkungen, die ihm gelegentlich entschlüpft sind, schließe ich, daß er in einem der Armenviertel von London aufgewachsen ist. Als Halbwüchsiger ist er von zu Haus weggelaufen und zur See gefahren. Es endete damit, daß er bald sein erstes eigenes Schiff hatte, dem dann noch mehrere folgten. Inzwischen besitzt er eine Reihe von Unternehmen, dar- unter eine Porzellanmanufaktur, und ich weiß nicht, was sonst noch. Er ist jetzt in den Sechzigern und, wie er Ihnen gewiß selbst sagen wird, so reich wie Midas.“
„Gibt ein bißchen an, der Bursche, hm?“
„Bei einem anderen Mann wäre es vielleicht Angeberei, aber bei ihm ist es einfach die schlichte Wahrheit. Er ist alles andere als ein Protz, und deshalb mag ich ihn so. Er macht überhaupt
kein Hehl daraus, daß er seinen Titel gekauft und was ihn das gekostet hat.“
Als sie vor dem Portal absaßen, sagte Daniela: „Ich habe die- ses Haus schon immer gemocht. Es ist nicht solch ein architek- tonischer Wirrwarr wie Greenmont.“
Ein prächtig in Rot und Gold livrierter Lakai öffnete die Tür und führte sie in einen Salon.
Der Salon hatte eine wundervoll gearbeitete Stuckdecke, und der Marmorboden war in einem geometrischen Muster aus schwarzen, weißen und taubenblauen Mosaiksteinen einge- legt. Große Gemälde in kostbaren Goldrahmen hingen an den Wänden. Französische Bergère, Fauteuils und zwei Sofas aus schimmerndem Nußbaumholz – alle mit einer Polsterung aus dunkelrotem Seidendamast – waren gefällig im Raum verteilt.
Bevor er den Salon verließ, versicherte der Lakai, daß Sir Jasper sie unverzüglich begrüßen werde.
Bereits zwei Minuten später erschien der Baronet, ein kleiner, drahtiger, energiegeladener Mann mit einem schütteren weißen Haarkranz um seinen sonst kahlen Kopf. „Nein, so etwas, Lady Daniela!“ strahlte er. „Was für eine reizende Überraschung!“ So- wohl seine Stimme als auch sein Gesichtsausdruck verriet, wie sehr er sich freute, sie zu sehen.
Dann fiel sein Blick auf Morgan. Seine grauen Augen moch- ten ein wenig von ihrem Glanz verloren haben, jedoch gewiß nichts von ihrer gewitzten Bauernschläue. „Und wen haben wir da? Mein Diener hat vermutlich den Namen nicht richtig verstanden.“
Nachdem Daniela die beiden Herren miteinander bekannt ge- macht hatte, sagte Wilton: „Dann hat der Gute den Titel ja doch richtig mitgekriegt. Sind Sie tatsächlich der Bruder des Duke of Westleigh?“
„Ja. Was überrascht Sie daran?“
„Nicht einmal der mickrigste Baron hier in der Gegend läßt sich dazu herab, mir einen Besuch abzustatten.“ Wiltons gleich- mütiger Tonfall verriet Morgan, daß es ihn nicht sonderlich störte, wenn diese Snobs ihn schnitten. „Wie komme ich dann zu der Ehre, daß ausgerechnet Sie, der Bruder eines Herzogs, mich besuchen?“
Sir Jasper war tatsächlich so freiheraus, wie Daniela behauptet hatte, und Morgan konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. „Meine Vorliebe für französische Möbel hat mich hergeführt.
Lady Daniela hat mir verraten, was für wunderschöne Stücke Sie hier haben.“
„Stimmt. Hab sie selbst aus Frankreich geholt. Das muß man den Franzmännern lassen, von Möbeln verstehen sie was.“
Sir Jasper führte sie durch mehrere Zimmer, wobei er mit sichtlichem Stolz auf wundervoll gearbeitete Tische, Kommoden und Sekretäre wies. Sie waren aus den kostbarsten Hölzern und kunstvoll mit Goldbronze und Intarsien verziert.
Morgans Interesse an französischen Möbeln ging bei weitem nicht so weit, wie er den Hausherrn glauben ließ, doch die Samm- lung des Baronets beeindruckte ihn wirklich. Der Mann hatte ein ausgezeichnetes Auge für Schönheit und Qualität.
Wilton ging mit ihnen zurück in den Salon, wo er seinen Gästen Erfrischungen anbot, die sie jedoch ablehnten.
Er zwinkerte Daniela zu. „Schätze, Ihr Bruder weiß nichts von Ihrem Besuch.“
„Nein“, gestand
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