Marlene Suson 3
betulichen Gangart, die Morgan das Reiten re- gelrecht verleiden konnte. Morgan schnalzte mit der Zunge, und sie gaben ihren Pferden die Sporen.
Nachdem sie zwei, drei Minuten in halsbrecherischem Galopp dahingeprescht waren, hielt Morgan seinen Thunder gerade so weit zurück, daß Daniela eine Pferdelänge voraus war. Wieder war Morgan beeindruckt, was für eine fabelhafte Reiterin sie war. Sie verfügte über den besten Sitz, den er je bei einer Frau gesehen hatte.
Er dachte an den Tag, als sie gemeinsam zum Pfarrhaus gerit- ten waren. Nach ihrer Rückkehr hatte Lady Elizabeth ihm das Versprechen abgeschmeichelt, beim Dinner ihr Tischherr zu sein. Mit dem Ergebnis, daß er den größten Teil der Mahlzeit damit verbracht hatte, mit gespitzten Ohren zum anderen Ende des Tisches zu lauschen, wo Daniela saß. Sie unterhielt sich geist- reich und amüsant über erstaunlich viele Themen, anstatt ihren Tischnachbarn – wie so viele Frauen – mit törichtem Geplapper über Mode und Klatsch zu langweilen.
Morgan war selbst erstaunt, wie sehr er Danielas Gesellschaft genoß. Er war daran gewöhnt, daß die Frauen um seine Auf- merksamkeit buhlten, und es nagte an seinem Stolz, daß Da- niela ihn eher mied. Das wurmte ihn ganz besonders deshalb,
weil sie diesem unsäglichen Rigsby gegenüber offenbar sehr viel zugänglicher gewesen war.
Als sie das schmiedeeiserne, mit Goldbronze beschlagene Tor von Merrywood erreichten, mußten sie einen Augenblick warten, bis der bejahrte Pförtner es für sie öffnete.
Vor ihnen, am Ende einer langen Auffahrt, erhob sich auf einer Hügelkuppe ein imposantes dreistöckiges Herrenhaus, dessen Portikus von sechs ionischen Säulen getragen wurde.
Während sie darauf zuritten, wandte Daniela sich im Sattel um und lächelte Morgan so spitzbübisch an, daß er spürte, wie es sich unterhalb seines Gürtels regte.
„Ich bin sehr gespannt, wie Ihnen Sir Jasper gefallen wird. Ich finde ihn amüsant und erfrischend freiheraus. Ich bin rich- tig froh, daß Sie mir einen Vorwand für diesen Besuch auf Merrywood geliefert haben.“
Fragend hob Morgan die Brauen. „Brauchen Sie denn einen Vorwand, um einen Ihrer Nachbarn zu besuchen?“
„Wenn der Nachbar Sir Jasper ist, schon. Basil wird furchtbar wütend sein, wenn er hört, daß wir bei Sir Jasper waren.“
Morgan hätte es vorgezogen, wenn Danielas Bruder von diesem Besuch nichts erfuhr. Dann würde er auch keine Fragen stellen, die ihn, Morgan, in Verlegenheit brachten.
„Nach Möglichkeit vermeide ich es, meine Gastgeber zu brüs- kieren.“ Ein verschwörerisches Grinsen umspielte seine Mund- winkel. „Was meinen Sie, wollen wir ihm das Ziel unseres heutigen Ausritts nicht lieber verschweigen?“
Sie erwiderte sein Lächeln. „Mit Vergnügen! Das erspart mir vermutlich eine unerfreuliche Gardinenpredigt.“ Ihr Lächeln er- starb, und sie sagte nachdenklich: „Ich kann gar nicht verstehen, weshalb Basil Sir Jasper dermaßen haßt.“
„Tut er das?“ Trotz Basils verächtlicher Bemerkungen über die verdächtigen Neigungen des Baronets hatte Morgan keinen aus- gesprochenen Haß in den Äußerungen entdecken können. „Viel- leicht liegt es daran, daß Ihr Bruder Wiltons politische Ansichten ablehnt.“
„Nein, Basil nimmt es offenbar als persönlichen Affront, daß ein Mann von Sir Jaspers bescheidener Herkunft auf Merrywood lebt. Mein Bruder sagt, er sei nichts als ein primitiver Krämer, den man schlicht nicht zur Kenntnis nimmt. Ich fürchte, Basil überschätzt seine eigene Bedeutung ebenso, wie es die meisten Aristokraten tun.“
Der unüberhörbare Verweis in Danielas Ton entlockte Mor- gan – der mit den unteren Klassen ebenso locker umgehen konnte wie mit seinesgleichen – die trockene Bemerkung: „Ich hoffe, Sie rechnen mich nicht auch zu dieser aufgeblasenen Clique.“
„Ich ... ich weiß nicht recht, was ich von Ihnen denken soll“, gestand sie ehrlich.
Die Verunsicherung, die aus ihr sprach, freute Morgan, denn sie verriet ihm, daß Daniela sich ebenso zu ihm hingezogen fühlte wie er zu ihr. „Ich gehöre nämlich nicht zu denen, die die Nase himmelhoch tragen“, teilte er ihr vergnügt mit.
„Im Gegensatz zu Ihrem erlauchten Bruder, dem Herzog.“
„Sie tun Jerome unrecht. Sie kennen ihn einfach nicht gut genug.“
„Ich lege auch keinen Wert darauf. Ich bezweifle, daß er überhaupt lächeln kann.“
„Oh, Jerome lächelt sehr häufig, seitdem er mit Rachel ver- heiratet ist. Aber welcher
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