Marlene Suson 3
sein. Doch Daniela wüßte es besser. „Ach Charlotte, das bildest du dir doch alles bloß ein.“
„Dann bin ich aber nicht die einzige. Lady Elizabeth war vor- hin ganz aus dem Häuschen vor Wut, weil er mit dir ausgeritten ist.“
„Als ob sie von mir etwas zu befürchten hätte“, sagte Daniela spöttisch. „Wenn du gesehen hättest, wie er sie nach unserer Rückkehr begrüßte, dann wüßtest du, daß er ...“, mit Entset- zen merkte sie, daß ihre Stimme zitterte und damit ihren inne- ren Aufruhr verriet, „daß er sie vorzieht“, schloß sie verzagt. Zumindest als Gemahlin.
„Er weiß über meine Vergangenheit Bescheid“, fuhr sie be- drückt fort. „Wahrscheinlich rührt daher auch sein Interesse. Vielleicht hat er unehrenhafte Absichten.“
„Wie kannst du ihm nur so etwas unterstellen?“ schalt Char- lotte aufgebracht. „Dieser ekelhafte Rigsby hat dich dazu ge- bracht, jedem Mann zu mißtrauen, der dir begegnet. Allerdings
kann ich dir daraus nicht einmal einen Vorwurf machen, wenn ich bedenke, was er dir angetan hat.“
Noch immer erstarrte Daniela innerlich vor Entsetzen, wenn sie an jene fürchterliche Nacht dachte. „Du bist so lieb, Char- lotte“, sagte sie mit erstickter Stimme. „Du bist die einzige, die mir glaubt, was damals geschehen ist, als ich ihn abwies.“
Niemand, vor allem nicht Danielas Bruder Basil, hatte ge- glaubt, daß ein so weltgewandter, gutaussehender junger Mann wie Gilfred Rigsby einer so reizlosen Landpomeranze Gewalt antun würde.
Deshalb hatte sie sich auch gar nicht erst die Mühe gemacht, Lord Morgan die Wahrheit über die Geschichte zwischen ihr und Rigsby zu erklären. Sie hätte die Demütigung nicht ertragen, wenn er ihr ebenfalls nicht geglaubt hätte.
Charlotte preßte die Lippen zusammen. „Ich werde nie be- greifen, weshalb dein Bruder Rigsbys Lügen akzeptierte, an- statt seiner Schwester zu glauben. Damals nach dieser Nacht brauchte man dich doch nur anzuschauen, um zu wissen, daß du die Wahrheit sagtest.“
Aber damals hatte niemand sie gesehen außer Rigsby, Basil und Charlotte. Und Daniela hatte sich viel zu sehr geschämt, um ihrem Bruder den Beweis für die Vergewaltigung zu zeigen.
Die sichtbaren Spuren der brutalen Schändung waren allmäh- lich verschwunden, doch die Narben auf Danielas Seele waren geblieben. Seit jener Nacht hatte Daniela ein tiefverwurzeltes Mißtrauen gegen die Männer und eine entsetzliche Angst vor der körperlichen Liebe.
„Ich kann ja verstehen, was für ein furchtbares Erlebnis Rigs- bys Überfall für dich gewesen sein muß“, sagte Charlotte traurig. „Aber ich wünschte, er hätte dir nicht einen solchen Widerwil- len gegen die Ehe eingeflößt. Es sind doch nicht alle Männer so viehisch wie er. Männer wie George zum Beispiel sind sanft und zärtlich. Du liebst Kinder, Daniela. Du kannst so gut mit ih- nen umgehen. Deshalb wünschst du dir doch sicher auch eigene Kinder, oder?“
„Ja, o ja“, seufzte Daniela wehmütig. „Aber nicht genug, um zu heiraten. Außerdem würde sowieso kein Mann um mich an- halten. Das ist vermutlich der einzige Vorteil von dieser ganzen gräßlichen Geschichte. Da mein Ruf ruiniert ist, wird kein Mann mich heiraten wollen.“
„Aber Daniela ...“
„Schluß jetzt, ich will nichts mehr davon hören, Charlotte“, sagte Daniela fest. „Basil hat Sarah behandelt wie eine Spül- magd. So etwas würde ich mir nie gefallen lassen.“
Charlotte seufzte. „Wenn ich – oder besser noch Lord Mor- gan – dich doch davon überzeugen könnte, daß längst nicht alle Männer so sind wie Rigsby und dein Bruder.“
„Aber das kannst du nicht“, erklärte Daniela störrisch.
Nur ein Mann auf der Welt – Gentleman Jack – könnte sie davon überzeugen. So sehr Daniela sich auch zu Lord Morgan hingezogen fühlte, ein Don Juan wie er könnte sie nie überzeugen.
8. KAPITEL
Es vergingen vier weitere Tage, bis Morgan Daniela beim Wort nehmen konnte, mit ihm einen Besuch bei Sir Jasper Wilton zu machen. Jeden Tag hatte sie einen anderen Vorwand gehabt, der ihre Anwesenheit im Haus unerläßlich machte. Heute hatte sie offenbar keine Ausrede mehr gefunden, und so waren sie nun endlich auf dem Weg nach Merrywood.
Hätte er Lady Elizabeth gebeten, mit ihm auszureiten, dann hätte sie ihn bestimmt nicht vier Tage lang zappeln lassen.
Morgan schlug einen Galopp vor, und Danielas begeisterte Zustimmung freute ihn sehr. Die meisten Damen bestanden auf einer langsamen,
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