Marlene Suson 3
er ein galantes Abenteuer suchen würde.
„Zumindest hat er meine Gastfreundschaft nicht damit miß- braucht, dich ins Bett zu locken ... obwohl du ihm so fleißig Avancen gemacht hast.“
Daniela fuhr herum, und ihre Augen schossen Blitze. „Das habe ich nie getan!“ schrie sie ihren Bruder aufs tiefste verletzt an.
„Ich habe doch selbst gesehen, wie du ihn beim Dinner an- geschmachtet hast. Und später im Salon hast du dich ihm auch aufgedrängt.“
„Habe ich nicht! Er hat mich angesprochen.“ Und das war die reine Wahrheit. Nicht ein einziges Mal hatte sie sich von selbst an Morgan gewandt. Daniela war so außer sich, daß sie sich kaum noch beherrschen konnte. Sie mußte aus diesem Zimmer hinaus, bevor sie etwas sagte oder tat, das sie nachher bereuen würde.
„Dummes Zeug.“ Basils verächtliche Stimme folgte ihr auf dem Weg zur Tür. „Kein Mann von Geschmack und Lebens- art würde deine Gesellschaft der von Lady Elizabeth Sanders vorziehen.“
Damit hat er zweifellos recht, dachte Daniela niedergeschla- gen.
Einen Vorteil hatte Lord Morgans Abwesenheit allerdings. Sie bot eine ausgezeichnete Gelegenheit, sein Zimmer noch einmal nach den Pistolen zu durchsuchen. Danielas Laune besserte sich etwas. Wenn sie die Pistolen erst einmal gefunden hatte, konnte sie den Arbeiterfamilien endlich wieder die Hilfe zukommen lassen, die sie so verzweifelt brauchten.
Als Morgan und Ferris das „Spotted Cow“ erreichten, fanden sie dort bereits eine große Schar Männer vor, deren ärmliche Klei- dung sie als Arbeiter und Pächter auswies. Nicht, daß Morgan und Ferris besser ausgesehen hätten. Der Reitknecht hatte für Morgan ein grobes Hemd und eine weite Hose besorgt, die von einem Strick gehalten wurde.
Talglichter an den Wänden warfen gedämpftes Licht auf die langen Tische und Bänke. Der saure Geruch nach Hopfen und ungewaschenen Körpern stieg Morgan in die Nase, und laute, grölende Stimmen strapazierten seine Ohren.
Ferris hatte dieser Kaschemme auf der Suche nach Informa- tionen schon zweimal einen Besuch abgestattet. Ein paar der Stammgäste begrüßten ihn, und er stellte Morgan als seinen Cou- sin vor. Die anderen Männer schenkten den Neuankömmlingen keine Beachtung.
Das gleiche galt jedoch nicht für das Schankmädchen, eine dralle Person mit einem so tief ausgeschnittenen Kleid, daß ihre vollen Brüste das Dekollete fast sprengten. Sie musterte Morgan von Kopf bis Fuß, als wäre er ein Zuchthengst auf einer Auktion.
Als ihre und Morgans Blicke sich trafen, schlenderte sie mit herausfordernd wiegenden Hüften auf ihn zu. Eine wilde schwarze Mähne fiel ihr auf die nackten Schultern herab. Mor- gan schätzte sie auf ungefähr fünfundzwanzig. Sie hatte ein
recht hübsches Gesicht mit lockenden braunen Augen und einem sinnlichen Mund.
Sie trat so dicht an Morgan heran, daß eine ihrer Brustspitzen sein grobes Hemd streifte. Er wußte genau, daß das kein Zufall war.
„Fremd hier, oder?“
„Stimmt“, antwortete er reserviert.
Sie roch nach billigem Parfum. Sehnsüchtig dachte Morgan an Danielas lieblichen Jasminduft.
Wie gern hätte er ihre Gesellschaft und ihren gertenschlan- ken Körper gegen diesen aufdringlichen, allzu üppigen Pummel eingetauscht.
Die Frau lächelte breit. „Von Janie kannst du alles kriegen, was du brauchst ... wenn du verstehst, was ich meine.“
Er verstand, hatte jedoch nicht das geringste Interesse an ihrem Angebot. Ja, wenn sie Daniela wäre ... Hastig verdrängte er den Gedanken. „Zwei Bier für mich und meinen Freund. Und bißchen dalli, klar?“ forderte er schroff mit verstellter, kehliger Stimme.
Das war eindeutig nicht das, was sie hören wollte, und sie wandte sich schmollend ab.
Ferris deutete auf einen der langen Tische im hinteren Teil des Raums, an dem es bereits hoch herging. „Wir setzen uns am be- sten dazu. Ich habe mir sagen lassen, daß der große, dicke Bur- sche dort drüben, der gerade seinen Humpen leert, angeblich die Flöhe husten hört. Er ist am besten darüber informiert, was hier in der Gegend vorgeht. Aber Noah – so heißt er – ist äußerst zuge- knöpft, wenn er jemanden nicht kennt, es sei denn, er hat einen in der Krone. So, wie es aussieht, dürfte er bald soweit sein.“
Ferris und Morgan bahnten sich einen Weg durch das Gewühl, bis sie zu Noahs Tisch kamen. Ein Dutzend Männer saß schon daran, doch auf der einen Bank war noch eine Lücke frei.
Morgan setzte sich neben einen gedrungenen rothaarigen
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