Marlene Suson 3
wirklich der Wahrheit entsprechen?“
Morgan ließ sie nicht aus den Augen. Sie hatte das Gefühl, als dränge sein Blick ihr bis in die Seele.
„Aber ich täusche mich nicht, oder?“
Daniela senkte den Kopf. Er sollte nicht sehen, daß ihr die Tränen in den Augen brannten.
Er legte ihr sanft die Hand unters Kinn und hob ihr Ge- sicht. „Und jetzt, meine kleine Räuber-Lady, erzählst du mir die Wahrheit über dich und Rigsby.“
Morgans Stimme war so weich und warm, daß sie es kaum ertragen konnte. „Nein, ich kann nicht“, preßte sie hervor. Die Tränen liefen ihr über die Wangen.
Sein Gesicht wurde hart. „Rigsby hat dich mit Gewalt genom- men, habe ich recht?“
Daniela war so bestürzt, daß sie unwillkürlich hervorstieß: „Woher weißt du?“ Dann schloß sie die Augen, überwältigt von der Scham darüber, was sie soeben zugegeben hatte. Vergewal- tigung! Sie brachte das grauenvolle Wort, Symbol für eine noch grauenvollere Tat, einfach nicht über die Lippen. Beim Klang dieses Wortes, schon allein bei dem Gedanken daran, fühlte sie sich beschmutzt und erniedrigt.
Morgan wischte ihr mit den Daumen die Tränen fort und strei- chelte dann zärtlich über ihre Wangen. „Du hast ein sehr schlim- mes Erlebnis hinter dir. Deshalb fürchtest du dich jetzt vor der Liebe.“
Die Erinnerung an das gräßliche Geschehen, an die Qual und die Erniedrigung, überflutete Daniela, und sie konnte sich nicht mehr beherrschen. Sie brach in Tränen aus.
Morgan schlang die Arme um sie, drückte sie fest an sich und raunte ihr tröstende Worte ins Ohr. Sein warmer Atem war wie eine Liebkosung. Daniela weinte so herzzerreißend, daß sie keines seiner Worte verstehen konnte.
Als sie sich schließlich ausgeweint hatte, fragte Morgan: „Fühlst du dich jetzt besser?“
Sie nickte und schmiegte sich in den tröstenden Schutz seiner Arme.
„Willst du mir nun erzählen, was sich zugetragen hat? Aber nur, wenn es nicht zu schmerzlich für dich ist.“
Plötzlich hatte Daniela das Bedürfnis, sich alles von der Seele zu reden. Das Gefühl, daß Morgan ihr Glauben schenkte, machte es sehr viel leichter für sie.
„Als ich Rigsbys Annäherungsversuche zurückwies, wurde er schrecklich wütend. Er geriet völlig außer sich, ging mit den Fäusten auf mich los und schlug mich fast besinnungslos.“
Die Erinnerung ließ sie schaudern, und Morgan drückte sie
noch fester an sich, als könnte er damit den Schmerz lindern. „Dann riß er mir die Kleider vom Leib, erst das Mieder und dann die Röcke. Er warf mein Unterkleid auf den Boden und stieß mich darauf nieder.“
Daniela begann wieder zu weinen. „Ich war so naiv und dumm ... Ich begriff gar nicht, was da geschah, als er ... als er ...“ Sie konnte nicht weiter.
„... dich mit Gewalt genommen hat.“ Morgans Stimme war sanft, doch der unterschwellige Zorn war nicht zu überhören.
„Ja.“ Ein heftiges Zittern überlief sie. „ Es war furchtbar. Ich hatte noch nie zuvor einen so entsetzlichen Schmerz erlebt. Ich schrie laut vor Schmerz, und er schlug mich wieder. O Gott, es war unbeschreiblich! Nachher war überall Blut, so viel Blut – mein Blut.“
Daniela bebte am ganzen Körper. Morgan drückte sie mit ei- nem Arm fest an sich, während er ihr mit der freien Hand begütigend übers Haar strich. Seine Lippen liebkosten ihre Stirn.
Als ihre Tränen endlich versiegten, zog Morgan ein Taschen- tuch heraus und trocknete ihr Gesicht. „Was hat Basil getan, als er erfuhr, daß Rigsby dir Gewalt angetan hatte?“
„Nichts. Er hat mir nicht geglaubt.“
Betroffen starrte Morgan sie an. „Wieso hat er dir nicht geglaubt?“
„Du hättest mal hören sollen, wie überzeugend Rigsby wirkte, als er Basil seine Version einredete. Er behauptete, ich hätte ihn gebeten, mich ... mich zu entjungfern.“
„Und wie hat er deine Verletzungen erklärt?“
„Meine ... meine Kleider haben die meisten Verletzungen ver- deckt, und ich habe mich ... zu sehr geschämt, um sie jemandem zu zeigen – außer Charlotte. Mein Unterkleid hat fast das ganze Blut aufgenommen, und Rigsby hat es behalten.“
„Um den Beweis beiseite zu schaffen, dieser Bastard!“
Wieder trieb die Erinnerung Daniela die Tränen in die Augen, und Morgan verstärkte sofort den Druck seiner Arme.
„Das restliche Blut führte er auf den Verlust meiner Jung- fräulichkeit zurück. Rigsby hat Basil gegenüber behauptet, daß er nie und nimmer ein so reizloses Geschöpf wie mich verge-
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