Marlene Suson 3
Daniela begrüßte, die in ihrer Aussprache einen leich- ten Akzent heraushörte, den sie nicht recht einordnen konnte. „Stammen Sie nicht aus England, Lady Arlington?“
„Nein, und bitte sagen Sie Megan zu mir. Ich komme aus Vir- ginia, einer Kolonie in der Neuen Welt. Dort haben wir keine Lords und Ladies.“
Arlingtons Augen funkelten vor Vergnügen. „Megan ist die einzige Frau, die ich kenne, die alles andere als begeistert war, als sie erfuhr, daß sie einen Earl geheiratet hatte.“
„Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt“, bemerkte Megan trocken.
Der Blick, den die Eheleute miteinander tauschten, verriet deutlicher als alle Worte die innige Liebe, die sie verband.
„Wie macht sich dein Bruder Josh in Oxford, Megan?“ fragte Rachel.
„Er fühlt sich wohl und kommt gut voran. Ich dagegen ver- misse ihn schrecklich. Ich hätte ihn so gern bei uns in Wingate Hall.“
Jerome kam herein. Auf dem Arm trug er einen kleinen Jungen, der etwa im gleichen Alter wie Serena sein mochte. Das Gesicht des Kindes war eine Miniaturausgabe von Lord Arlingtons Ge- sicht. „Was habe ich doch für ein hübsches Patenkind, Megan“, sagte der Herzog.
„Das Kompliment gebührt seinem Vater“, gab Megan zurück. „Der Junge ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.“
„Ich bin froh, daß ihr schon heute gekommen seid, solange ich noch hier bin, um euch begrüßen zu können“, sagte der Herzog. „Ihr werdet mich für einen miserablen Gastgeber halten, aber ich habe gerade erfahren, daß ich morgen nach London muß. Eine Audienz beim König. Falls Seine Majestät mich nicht zu lange warten läßt, hoffe ich, übermorgen noch vor Einbruch der Nacht zurück zu sein.“
„Ich nehme an, du wirst reiten“, mutmaßte Stephen.
„Natürlich. Ich möchte die Reise nicht unnötig ausdehnen. Du weißt ja, wie ich es hasse, von meiner Familie getrennt zu sein.“ Jerome wandte sich seiner Frau zu. „Weißt du, wo Morgan ist? Ich muß mit ihm reden.“
„Er ist nach Stanmore Acres geritten, doch er müßte bald zurück sein.“ Rachel wandte sich ihren Gästen zu. „Seid ihr hungrig?“
„Ich gestehe, ich bin am Verhungern“, gestand Megan.
Ihr Gemahl legte mit einer beschützenden Geste den Arm um sie.
Wie wundervoll wäre es, wenn ein Mann mich so ansehen würde wie Arlington seine Frau, dachte Daniela.
„Megan ißt wieder für zwei.“
„Wie herrlich!“ rief Rachel enthusiastisch. „Wann soll der jüngste Wingate-Sproß sich denn einstellen?“
Megan schaute hinab auf ihren noch flachen Leib. „In sechs Monaten.“
Daniela spürte einen eifersüchtigen Stich. Sie wünschte sich so sehr ein eigenes Kind, doch dieser Wunsch würde sich nie erfüllen.
Rachel läutete nach einem Mädchen. Innerhalb weniger Mi- nuten wurde Megan im Speisezimmer ein Imbiß serviert.
„Die Modistin wartet drüben im Zimmer“, erinnerte Stephen seine Schwester.
„Megan, würdest du Stephen, Daniela und mich für ein paar Minuten entschuldigen?“ fragte Rachel. „Jerome wird dir solange Gesellschaft leisten.“
Megan nickte. „Geht nur.“
Stephen und Daniela folgten der Herzogin ins Nebenzim- mer. Eine dunkelhaarige Frau, die von etlichen Hutschachteln umgeben war, knickste tief vor Rachel und murmelte: „Euer Gnaden.“
„Danke, daß Sie mitgekommen sind, Marie.“ Rachel sah Da- niela an. „Sie ist eine besonders gute Schneiderin. Ich habe sie kommen lassen, damit sie ein paar Kleider für Sie näht. Am be- sten wäre es, wenn Sie Stephen die Wahl der Machart überließen. Wie ich schon sagte, er hat einen untrüglichen Blick dafür, was eine Frau am besten kleidet.“
Lord Arlington musterte Daniela mit kritischem Blick. Sie mußte sich zusammenreißen, um vor diesem Blick nicht zurück- zuschrecken.
Dann klatschte er in die Hände. „Ja, ich weiß genau, was Ih– nen am besten stehen wird.“ Er wandte sich zu Marie um. „Ge- ben Sie mir meinen Skizzenblock, und dann nehmen Sie ihre Maße.“
Während die Schneiderin Danielas Maße nahm, zeichnete Ar- lington mit sicherer, kühner Hand mehrere Skizzen. Als Marie fertig war, zeigte er ihr seine Werke. „So etwa stelle ich mir die Kleider vor. Zeigen Sie mir alle Muster, die diesen Skizzen ähn- lich sind. Aber zuerst schaue ich mir Ihre Stoffmuster an, damit ich die Farben und das Material auswählen kann.“
Die Schneiderin nickte, als wäre sie an diese Anweisungen gewöhnt.
Daniela dagegen war absolut nicht daran gewöhnt, daß ein
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