Mars 02 - Die Götter des Mars
ohnmächtig gemacht«, erwiderte er. »Es ist lediglich ein Kratzer.«
»Vielleicht wäre der andere Fall besser gewesen«, sagte ich. »Wir sitzen ganz schön in der Klemme und scheinen beste Aussichten zu haben, an Hunger und Durst zugrunde zu gehen.«
»Wo sind wir?«
»Unter der Arena«, entgegnete ich. »Wir sind in den Schacht gestürzt, in den sich Issus rettete, als wir sie schon beinahe hatten.«
Er lachte leise vor Freude und Erleichterung, tastete dann durch die pechschwarze Finsternis nach meiner Schulter und zog mich zu sich.
»Besser könnte es gar nicht sein«, flüsterte er mir ins Ohr. »Auch die Geheimnisse von Issus haben Geheimnisse, von denen Issus nicht einmal träumt.«
»Was meinst du?«
»Vor einem Jahr habe ich mit den anderen Sklaven hier am Ausbau dieser unterirdischen Gänge gearbeitet. Dabei stießen wir weiter unten auf ein uraltes System von Gängen und Gemächern, das seit Jahrhunderten fest verschlossen war. Die Schwarzen, die mit der Angelegenheit betraut worden waren, erforschten sie und nahmen einige von uns für eventuell anfallende Arbeiten mit. Ich kenne mich hier aus. Über Meilen hinweg führen Gänge unter den Gärten und sogar dem Tempel selbst entlang. Es gibt einen Weg nach unten, durch den man zu dem unterirdischen Wasserweg in Richtung Omean gelangt. Gelingt es uns, unentdeckt zum U-Boot zu kommen, könnten wir zum Meer fliehen, wo es viele Inseln gibt, die die Schwarzen niemals aufsuchen. Dort könnten wir eine Zeitlang leben, und wer weiß, vielleicht findet sich dort etwas, das uns auf der Flucht von Nutzen ist?«
Er hatte in leisem Flüsterton gesprochen, offenbar aus Furcht, daß man uns sogar hier noch belauschte, und so antwortete ich ebenso leise: »Bring mich zurück nach Shador, mein Freund. Xodar, der Schwarze ist noch dort. Wir wollten gemeinsam fliehen - ich kann ihn nicht im Stich lassen.«
»Nein, man kann einen Freund nicht im Stich lassen; dann heißt es schon lieber die Gefangenschaft in Kauf nehmen«, entgegnete der Junge.
Er begann, den Boden der dunklen Kammer nach der Luke abzutasten, durch die man zu den darunter gelegenen Gängen gelangte. Schließlich rief er mich durch ein leises ›S-s-st‹ zu sich. Ich kroch seiner Stimme hinterher. Er kniete am Rand einer Öffnung.
»Hier geht es ungefähr zehn Fuß nach unten. Laß dich an den Händen hinunter, dann landest du unversehrt auf einem glatten, weichen Sandboden.«
Lautlos ließ ich mich von der finsteren Zelle über mir in die Dunkelheit unter mir hinab. Es war so düster, daß man die Hand nicht vor Augen sehen konnte. Ich kann mich nicht entsinnen, je zuvor eine solche Finsternis erlebt zu haben wie in den Katakomben von Issus.
Einen Augenblick hing ich in der Luft. Das merkwürdige Gefühl, das man bei einem derartigen Unterfangen bekommt, ist ziemlich schwer zu beschreiben. Wenn sich unter den Füßen nur leere Luft befindet und man aufgrund der Dunkelheit den Boden nicht erkennen kann, dann ergreift einen so etwas wie Panik bei dem Gedanken, loszulassen und den Sprung in die unbekannte Tiefe zu wagen.
Obwohl der Junge mir mitgeteilt hatte, daß es nur zehn Fuß bis nach unten waren, schauderte mir ebenso, als hinge ich über einem unendlichen Abgrund. Dann ließ ich los und landete vier Fuß weiter unten auf einem weichen Sandkissen.
Der Junge folgte mir.
»Heb mich auf deine Schultern, ich werde die Klappe zurückschieben«, sagte er.
Gesagt - getan. Nun nahm er meine Hand und ging sehr langsam voran, tastete unsere Umgebung ab und blieb häufig stehen, um sich zu vergewissern, daß wir nicht aus Versehen in einen falschen Gang gerieten.
Schließlich schlugen wir einen steil abfallenden Weg ein.
»Bald wird es heller. In den unteren Schichten gibt es dieselben phosphoreszierenden Gesteinsbrocken wie in Omean«, sagte er.
Niemals werde ich den Marsch durch die Katakomben von Issus vergessen. Auch wenn er ohne Zwischenfälle verlief, war er für mich abenteuerlich und spannend, ich glaube, größtenteils wegen der unbekannten Geschichte dieser lang vergessenen Gänge. Jene Dinge, die ich aufgrund der pechschwarzen Finsternis nicht zu sehen bekam, können nicht halb so schön gewesen sein wie das, was mir meine Phantasie zeigte, in der die einstigen Bewohner dieser sterbenden Welt wieder auferstanden. Viele Rätsel waren mit ihnen verbunden. Vor meinem geistigen Auge sah ich die Mühen, Intrigen und Grausamkeiten, unter denen sie sich auf das letzte Gefecht mit den
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