Mars Trilogie 1 - Roter Mars
die Erschöpfung in Hände und Füße glitt. Sie blieb eine Minute lang einfach auf dem Boden sitzen, dann stand sie wieder auf. Es war zu kalt zum Sitzen. Ihr Phantomfinger schmerzte.
Sie nahm die Nylonschnur und kehrte blind zum Luftschiff zurück. Ihr kam vor, als wäre es der Ariadne-Faden, und sie würde ihm aus dem Labyrinth folgen.
Während sie im Rover nach Süden fuhren, von dem Flugstaub geblendet, krächzte das Radio die Nachricht, daß die UNOMA soeben die Einrichtung von drei weiteren Kolonien gebilligt und im Etat verankert hätte. Eine jede sollte aus fünfhundert Personen bestehen, alle aus Ländern, die unter den ersten hundert Expeditionsteilnehmern nicht vertreten gewesen waren.
Und der Unterausschuß für Terraformung hatte empfohlen, und die Generalversammlung hatte es genehmigt: ein ganzes Paket von Terraformungsbemühungen, darunter die Verteilung genetisch konstruierter Mikroorganismen aus dem Zuchtbestand von Algen, Bakterien oder Flechten.
Arkady lachte gut dreißig Sekunden lang. »Diese Schufte, diese glücklichen Bastarde! Jetzt werden sie erst recht damit loslegen!«
VIERTER TEIL
HEIMWEH
An einem Wintermorgen scheint die Sonne auf Valles Marineris herunter und beleuchtet die Nordwände aller Canyons in dieser großen Anhäufung von Canyons. Und in diesem hellen Licht kann man erkennen, daß hie und da eine bloßliegende Gesteinskante von einem warzenartigen Fleck schwarzer Flechte bedeckt ist.
Man sieht, sie ist dem Leben angepaßt. Sie hat nur wenige Bedürfnisse - etwas Betriebstoff und etwas Energie; und sie ist phantastisch genial darin, diese Bedürfnisse aus einem weiten Bereich terranischer Milieus herauszuziehen. Manche Organismen leben immer unter dem Gefrierpunkt des Wassers, andere über den Siedepunkten. Manche leben in starker Strahlung, andere in stark salzigen Regionen oder in festem Gestein oder in pechschwarzer Finsternis oder bei extremem Wasserentzug oder ohne Sauerstoff. An alle Arten von Umwelt sind Anpassungen erfolgt durch Adaptationsmaßnahmen so seltsam und wunderbar, daß sie jenseits unserer Vorstellungsmöglichkeiten liegen. Und so hat das Leben die Erde vom Urgestein bis in die Hochatmosphäre mit der vollen Welle einer großartigen Biosphäre durchdrungen.
All diese Anpassungsfähigkeiten sind in Genen codiert und werden darin weitergegeben. Wenn die Gene mutieren, verändern sich die Organismen. Wenn die Gene verändert werden, ändern sich die Organismen auch. Bioingenieure benutzen diese beiden Formen von Veränderungen, indem sie nicht nur rekombinierende Gene verspleißen, sondern auch auf viel ältere Weise Zuchtauswahl betreiben. Mikroorganismen werden auf Schalen aufgetragen; und diejenigen von ihnen, welche am schnellsten wachsen (oder am stärksten das gesuchte Merkmal aufweisen), können aussortiert und wieder aufgetragen werden. Man kann Mutagene hinzufügen, um die Mutationsrate zu erhöhen. Und in schneller Aufeinanderfolge mikrobischer Generationen (sagen wir zehn pro Tag) kann man diesen Prozeß wiederholen, bis man etwas wie das bekommt, was man will. Selektive Zucht ist eine der mächtigsten Biotechniken, die wir besitzen.
Aber die neueren Techniken gewinnen immer mehr Beachtung. Gentechnisch erzeugte Mikroorganismen gab es seit ungefähr einem halben Jahrhundert, als die >Ersten Hundert< auf dem Mars eintrafen. Aber ein halbes Jahrhundert ist in der Wissenschaft eine lange Zeit. In diesen Jahren sind plasmidische Konjugate zu sehr verfeinerten Werkzeugen geworden. Das Angebot an Restriktionsenzymen zum Trennen und Ligase-Enzymen zum Verbinden war groß und vielseitig. Man fand eine Möglichkeit, lange DNA-Ketten exakt auseinander zuziehen. Das über Genome angesammelte Wissen war immens und wuchs exponentiell. Unter Benutzung von alledem erlaubte die neue Biotechnik alle Arten von Merkmalmobilisierung, Förderung, Replikation, ausgelöstem Selbstmord (um exzessiven Erfolg anzuhalten) und so fort. Es war möglich, genau die DNA-Sequenzen aus einem Organismus zu finden, der die gewünschte Eigenschaft aufwies, um diese DNA-Mitteilungen zu synthetisieren, zu schneiden und in plasmidische Ringe zu verbinden. Danach wurden Zellen gewaschen und mit den neuen Plasmiden in Glyzerin aufgeschwemmt, das zwischen zwei Elektroden schwebend einem kurzen heftigen Schock von ungefähr 2000 Volt ausgesetzt wurde. Dann schossen die Plasmide in dem Glyzerin in die Zellen und - voila! Da war, zum Leben erweckt wie Frankenstein,
Weitere Kostenlose Bücher