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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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voller Bäume war, daß sie nicht vom einen Ende der Kammer zum anderen blicken konnte. Hier traf sie oft Frank Chalmers, der eine seiner kurzen Pausen machte. Er sagte, er liebe das Blattwerk im Frühling, obwohl er es nie anzuschauen schien. Sie gingen zusammen und redeten oder nicht, wie es sich gerade ergab. Wenn sie sich unterhielten, war es nie über etwas von Bedeutung. Frank liebte es nicht, ihre Arbeit als Führer der Expedition zu erörtern. Maya fand das drollig, wenn sie es auch nicht sagte. Aber ihre Tätigkeiten waren nicht genau gleich, was für seine Zurückhaltung sprechen mochte. Mayas Position war recht informell und nichthierarchisch - Kosmonauten hatten sich immer auf relativ gleicher Ebene verhalten. Das war eine Tradition seit den Zeiten von Koroljov. Das amerikanische Programm hatte eine mehr militärische Tradition, die sogar in Titeln zum Ausdruck kam. Während Maya bloß Koordinator des Russischen Kontingents war, war Frank Captain Chalmers, und das wohl im strengen Sinne der alten Segelschiffmarinen.
    Ob diese Autorität es ihm mehr oder weniger schwermachte, sagte er nicht. Manchmal diskutierte er über das Arboretum oder kleine technische Probleme oder Nachrichten von daheim. Öfters aber schien er nur mit ihr spazieren gehen zu wollen. Also - stumme Märsche, auf und ab in engen Wegen, durch dichte Gruppen von Kiefern, Eschen und Birken. Und immer diese vorgebliche Vertrautheit, als wären sie alte Freunde, oder als ob er ihr sehr schüchtern (oder subtil) den Hof machte.
    Als Maya eines Tages darüber nachdachte, kam ihr in den Sinn, daß der Start der Ares im Frühling ein Problem geschaffen haben könnte. Sie waren hier in ihrem Mesokosmos, fuhren durch Frühling, und alles war fruchtbar und blühend, verschwenderisch und grün, die Luft voller Blütenduft und bewegt, die Tage länger und wärmer, und alle Leute in Shirts und Shorts, hundert gesunde Tiere, auf engem Raum, essend, übend, duschend und schlafend. Da mußte es natürlich Sex geben.
    Nun, das war nichts Neues. Maya hatte im Weltraum phantastische Sexspiele erlebt, am ausgeprägtesten während ihrer zweiten Dienstzeit auf Novy Mir, wo sie und Georgi und Yeli und Irina jede vorstellbare Variante in Gewichtslosigkeit ausprobiert hatten - und das waren wirklich sehr viele. Aber jetzt war es anders. Sie waren älter und für immer beisammen. »In einem geschlossenen System ist alles anders«, wie Hiroko oft in anderem Zusammenhang gesagt hatte. Die Idee, auf brüderlicher Ebene zu bleiben, war bei der NASA groß angeschrieben. Von den 1348 Seiten des Buches, welches die NASA unter dem Titel Menschliche Beziehungen beim Flug zum Mars herausgegeben hatte, war nur eine einzige Seite dem Sex gewidmet, und diese Seite riet davon ab. Sie waren, wie das Buch meinte, etwas wie ein Stamm, mit spürbarem Tabu gegen Paarung innerhalb des Stammes. Die Russen lachten fröhlich darüber, aber die Amerikaner waren wirklich so prüde. Arkady sagte: »Wir sind kein Stamm. Wir sind die Welt.«
    Und es war Frühling. Und es gab die verheirateten Paare an Bord, von denen manche recht auffällig waren. Und da gab es das Schwimmbecken in Torus E und die Sauna und das Sprudelbad. Bei gemischter Gesellschaft trug man Badeanzüge, wiederum wegen der Amerikaner. Aber Badeanzüge machten nichts aus. Natürlich fing es an zu passieren. Sie hörte von Nadia und Ivana, daß die Blasenkuppel für Verabredungen in den stillen Nachtstunden diente. Es zeigte sich, daß viele Kosmonauten und Astronauten die Gewichtslosigkeit liebten. Und die vielen Winkel in den Parks und dem Arboretum dienten als Verstecke für solche mit weniger Erfahrung in Gewichtslosigkeit. Die Parks waren dafür vorgesehen, den Leuten das Gefühl zu geben, sie könnten Abstand gewinnen. Und jede Person hatte ein eigenes schalldichtes Zimmer. Wenn bei all dem ein Paar eine Beziehung anfangen wollte, ohne zum Tagesgespräch zu werden, war es möglich, sehr diskret zu sein. Maya war sicher, daß mehr vor sich ging, als irgendeine Einzelperson erfahren würde.
    Das konnte sie fühlen. Anderen ging es ohne Zweifel genau so. Leise Gespräche zwischen Paaren, Wechsel bei Partnern im Speisesaal, rasche Blicke, Hände, die im Vorbeigehen Schultern oder Ellbogen berührten - o ja, es geschah einiges. Das bewirkte eine gewisse Spannung in der Luft, eine Spannung, die nur zum Teil angenehm war. Es kamen wieder antarktische Ängste ins Spiel, und außerdem gab es nur eine kleine Anzahl potentieller

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