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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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kam die Strahlung durch die Füße herein, zumeist Gammastrahlen, die von den Schwermetallen ausgestreut wurden. Maya fühlte einen Impuls, die Knie zusammenzuhalten. Menschen schwebten an Ort und Stelle oder legten Sandalen mit Klettsohlen an, um über den Flur zu gehen. Sie sprachen leise, fanden instinktiv ihre Türnachbarn, Arbeitskollegen und Freunde. Die Unterhaltungen verliefen gedämpft, als ob man einer Cocktailgesellschaft verkündet hätte, daß die Hors d'oeuvres verdorben gewesen wären.
    John Boone zwängte sich zu den Computerterminals am vorderen Ende des Raumes durch, wo Arkady und Rex das Schiff überwachten. Er tastete einen Befehl ein, und die Daten über äußere Strahlung erschienen plötzlich auf dem größten Bildschirm des Raumes. »Wollen wir doch mal sehen, wieviel auf das Schiff trifft«, sagte er fröhlich.
    Stöhnen. »Müssen wir das?« rief Ursula.
    John sagte: »Das sollten wir schon wissen. Und ich möchte auch sehen, wie gut dieser Schutz funktioniert. Der auf der Rust Eagle war ungefähr so wirkungsvoll wie das Lätzchen beim Zahnarzt.«
    Maya lächelte. Es war eine jener bei John so sehr seltenen Erinnerungen daran, daß er mehr Strahlung ausgesetzt gewesen war als alle anderen - ungefähr 160 Rem im Lauf seines Lebens, wie er jetzt in Beantwortung einer ihm gestellten Frage erklärte. Auf der Erde erhielt man ein Fünftel eines Menschen-Röntgen-Äquivalents jährlich; und im Erdorbit bekam man, noch innerhalb der Magnetosphäre der Erde, ungefähr fünfunddreißig pro Jahr ab. Also hatte John es sehr heiß gehabt; und das gab ihm jetzt irgendwie das Recht, die äußeren Daten zu verfolgen, wenn er das wollte.
    Die auch daran interessiert waren - etwa sechzig Personen —, drängten sich hinter ihm, um den Schirm anzusehen. Der Rest sammelte sich am anderen Ende des Tanks bei denen, die über Unwohlsein klagten, einer Gruppe, die bestimmt nicht wissen wollte, wieviel Strahlung sie bekamen. Schon der Gedanke daran genügte, daß einige von ihnen aufs Klo eilten.
    Dann schlug die Eruption mit voller Gewalt zu. Die Daten der äußeren Strahlung stiegen erheblich über das normale Niveau des Sonnenwindes und sausten dann jäh in die Höhe. Einige Beobachter zogen gleichzeitig scharf die Luft ein, und es gab mehrere Schreckensschreie.
    »Seht aber, wieviel der Schutz aufhält!« sagte John und prüfte das Dosimeter an seinem Hemd. »Es sind nur Null Komma drei Rem.«
    Das war gewiß soviel wie die Strahlendosis eines Zahnarztes während mehrerer Lebensspannen. Aber die Strahlung außerhalb des Schutzraums betrug schon 70 Rem, was sich bereits einer tödlichen Dosis näherte. Sie kamen also günstig davon. Aber die volle Strahlung flog durch den Rest des Schiffes! Milliarden Partikel drangen hindurch und wurden bei Zusammenstößen mit den Atomen von Wasser und Metall gebunden. Hunderte von Millionen flogen zwischen diesen Atomen durch und durch die Atome ihrer Körper, ohne etwas zu berühren, als wären sie nur Geister. Aber Tausende trafen auf Atome von Fleisch und Knochen. Die meisten dieser Zusammenstöße waren harmlos. Doch unter all diesen Tausenden gab es höchstwahrscheinlich eines oder zwei (oder drei?), in denen ein Chromosomenstrang einen Treffer erhielt und sich in die falsche Richtung knickte. Und dann war es passiert: Tumorauslösung fing mit einer solchen Type im Buch des Lebens an. Und Jahre später, sofern sich nicht die DNA des Opfers zum Glück selbst heilte, würde die Tumoranregung, die ein mehr oder weniger unvermeidlicher Teil des Lebens war, sich auswirken, und es würde im Innern etwas anderes aufblühen: Höchstwahrscheinlich Krebs, Leukämie und ziemlich sicher der Tod.
    Also war es schwer, die Zahlen nicht unglücklich anzusehen. 1,4658 Rem, 1,7861, 1,9004. »Wie ein Streckenmeßgerät«, sagte Boone ruhig, während er auf sein Dosimeter blickte. Er packte mit beiden Händen ein Geländer und zog sich vor und zurück, als ob er isometrische Übungen machte. Frank sah das und sagte: »John, was, zum Teufel, machst du da?«
    »Ich weiche aus«, sagte John und lächelte über Franks Ärger. »Du weißt - ein bewegliches Ziel.«
    Die Leute lachten ihn aus. Da die Größe der Gefahr exakt auf Schirmen und Graphiken angegeben war, begannen sie sich weniger hilflos zu fühlen. Das war unlogisch; aber Benennung war die Kraft, die einen Menschen zu einem guten Wissenschaftler machte. Und sie alle waren Berufsgelehrte, darauf trainiert, die Möglichkeit eines

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