Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
heruntergefallenen Aufzugskabel, nur viel größer.
Einer der Rücken in der Dorsa-Brevia-Region war kürzlich zu einem geheimen Asyl ausgebaut worden. So fuhr Nadia ihren Rover auf einem gewundenen Weg durch vorspringende Lavawülste und dann in eine geräumige Garage in der Seite des größten schwarzen Berges, den sie gesehen hatten. Sie stiegen aus und wurden von einer kleinen Gruppe freundlicher Fremder empfangen, von denen Jackie einige schon getroffen hatte. In der Garage gab es keinen Hinweis darauf, daß der angrenzende Raum sich irgendwie von anderen unterscheiden würde, die sie schon besucht hatten; und so gingen sie in eine große zylindrische Schleuse und zur anderen Tür hinaus. Es war für sie ein großer Schock, daß sich vor ihnen ein freier Raum befand, der offenbar das ganze Innere des Hügels einnahm. Dieser war nämlich hohl. Der leere Innenraum war etwa zylindrisch, eine Röhre, die vielleicht hundert Meter vom Boden bis zur Decke maß, dreihundert Meter von Wand zu Wand, und sich so weit erstreckte, wie sie in beiden Richtungen sehen konnten. Arts Mund war wie ein Querschnitt des Tunnels. Er rief dauernd: »Oha, seht euch das an! Donnerwetter!«
Eine ganze Anzahl der Gesteinsrücken war hohl, wie ihre Gastgeber ihnen sagten. Lavatunnels, wie es viele auf der Erde gab; aber der gewohnte Sprung um zwei Größenordnungen galt auch hier. Und diese Röhre war wirklich hundertmal so groß wie die größte irdische. Wie eine junge Frau namens Ariadne Art erklärte, hatten sich die Lavaströme, als sie noch flossen, an den Rändern abgekühlt und verhärtet. Danach war heiße Lava weiter durch den Ärmel geflossen, bis die Fluten aufgehört hatten. Und die restliche Lava hatte sich in einen Teich aus Feuer entleert und zylindrische Höhlen zurückgelassen, die bisweilen fünfzig Kilometer lang waren.
Der Boden dieses Tunnels war nahezu eben und jetzt bedeckt von Dächern und Parks, Teichen und Hunderten junger Bäume, die in Hainen aus Bambus und Kiefern gepflanzt waren. Lange Risse im Dach des Tunnels hatten als Basis für gefilterte Oberlichter gedient aus geschichteten Materialien, die dieselben visuellen und thermischen Merkmale boten wie der übrige Bergrücken, aber in den Tunnel lange Streifen sonniger brauner Luft hineinließen, so daß selbst die dunkelsten Teile des Tunnels nur so trübe waren wie an einem wolkigen Tag.
Der Tunnel von Dorsa Brevia war vierzig Kilometer lang, wie Ariadne ihnen mitteilte, als sie eine Treppe hinuntergingen, obwohl es auch Stellen gab, wo das Dach sich nach innen wölbte oder Lavapfropfen die Höhlung fast ausfüllten. »Wir haben natürlich nicht das ganze Ding abgedichtet. Es ist mehr, als wir brauchen, und auch mehr, als wir überhaupt warm und unter Druck halten könnten. Aber wir haben jetzt ungefähr zwölf Kilometer dichtgemacht in Segmenten von je einem Kilometer Länge mit Schotts aus Zeltstoff dazwischen.«
»Donnerwetter!« sagte Art wieder. Nirgal war ebenso beeindruckt, und Nadia war deutlich begeistert. Selbst Vishniac war nichts im Vergleich hiermit.
Jackie war schon nahe dem unteren Ende der langen Treppe, die von der Garagenschleuse zu einem Park unter ihnen führte. Als sie ihr folgten, sagte Art: »Jede Kolonie, zu der du mich geführt hast, habe ich für die größte gehalten. Und ich habe mich immer geirrt. Warum sagst du mir nicht einfach, ob die nächste so wie Hellas sein wird oder etwas dergleichen?«
Nadia lachte. »Dies ist die größte, die ich kenne. Die allergrößte!«
»Warum bleibt ihr da alle in Gamete, wo es so kalt und düster ist? Würden nicht die Menschen aus allen Zufluchtsstätten hier hereinpassen?«
»Wir wollen nicht, daß alle an einer Stelle sind«, entgegnete sie. »Was diesen Ort hier betrifft, so hat es ihn vor einigen Jahren noch gar nicht gegeben.«
Unten auf dem Boden des Tunnels schienen sie sich in einem Wald zu befinden, unter einem Himmel aus schwarzem Stein, der von langen gezackten hellen Spalten zerrissen war. Die vier Reisenden folgten einer Gruppe ihrer Gastgeber zu einem Komplex von Gebäuden mit dünnen Holzwänden und steilen, an den Ecken hochgebogenen Dächern. In einem davon wurden sie einer Schar älterer Frauen und Männer in bunten, bauschigen Gewändern vorgestellt und zu einem gemeinsamen Mahl eingeladen.
Beim Essen erfuhren sie mehr über die Stätte, zumeist von Ariadne, die neben ihnen saß. Sie war erbaut und in Besitz genommen worden durch die Nachkommen von Menschen, die
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