Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
sie in dieser Hinsicht ganz normal waren.
Hast du sie jemals aufgeregt gesehen?
Ich kann mich nicht erinnern.
Hast du je erlebt, daß sie gebrüllt oder geweint haben?
Ich habe sie nie brüllen gehört. Ich denke, daß meine Mutter manchmal geweint hat.
Wußtest du, weshalb?
Nein.
Hast du dich gefragt, weshalb?
Ich erinnere mich nicht. Würde das etwas ausmachen, wenn es so gewesen wäre?
Was meinst du?
Ich meine, wenn ich eine Art von Vergangenheit gehabt hätte, hätte ich mich immer noch in eine beliebige Person verwandeln können. In Abhängigkeit von meiner Reaktion auf die - Ereignisse. Und wenn ich eine andersartige Vergangenheit gehabt hätte, wären die gleichen Variationen gefolgt. So daß deine Richtung zu fragen nutzlos ist. Insofern, als sie keine erklärende Strenge besitzt. Sie ist eine Nachahmung der wissenschaftlichen Methode.
Ich finde deinen Begriffvon Wissenschaft ebenso armselig wie deine wissenschaftlichen Aktivitäten. Im Grunde sagst du, wir sollten den menschlichen Geist nicht auf wissenschaftliche Weise studieren, weil er zu komplex ist, das Studium leicht zu machen. Das ist nicht sehr mutig von dir. Das Universum außerhalb von uns ist auch komplex; aber du rätst nicht, es zu vermeiden. Warum dann so mit dem inneren Universum?
Du kannst nicht Faktoren isolieren und Bedingungen wiederholen, du kannst keine kontrollierten Experimente anstellen und keine falsifizierbaren Hypothesen aufstellen. Der Apparat der Wissenschaft steht dir nicht zur Verfügung.
Denke einmal über die ersten Wissenschaftler nach 1 .
Die Griechen?
Noch früher. Die Vorgeschichte war nicht bloß ein formloser und zeitloser Zyklus der Jahreszeiten, mußt du wissen. Wir tendieren dazu, uns jene Leute so vorzustellen, als ähnelten sie unserem unbewußten Verstand. Aber so waren sie nicht. Seit mindestens hunderttausend Jahren sind wir schon so intellektuell wie jetzt. Wahrscheinlich sogar eher seit einer halben Million Jahren. Und jedes Zeitalter hatte seine großen Wissenschaftler, und die alle mußten im Kontext ihrer Zeiten arbeiten wie wir auch. Für diefrühen Menschen gab es kaum eine Erklärung für irgend etwas. Die Natur war so ganz und komplex und geheimnisvoll wie unser Geist für uns jetzt. Aber was konnten sie machen? Sie mußten doch irgendwo anfangen. Daran mußt du immer denken. Und es erforderte Tausende von Jahren, um die Pflanzen, die Tiere, den Gebrauch von Feuer, Steine, Äxte, Bogen, Pfeile, Unterkunft, Kleidung kennenzulernen. Danach Töpferei, Ernten, Metallurgie. Alles so langsam und mit so großer Anstrengung. Und das alles wurde durch Worte mündlich weitergegeben von einem Gelehrten zum nächsten. Und ohne Zweifel haben während der ganzen Zeit Menschen gesagt: Das ist zu komplex, um irgend etwas sicher sein zu können. Warum sollten wir das alles versuchen? Galilei hat gesagt: »Die Alten hatten guten Grund, sichfür die ersten Wissenschaftler unter den Göttern zu halten, da sie sahen, daß gewöhnliche Geister so wenig Neugier haben. Die kleinen Hinweise, mit denen die großen Erfindungen begannen, gehörten nicht einem trivialen, sondern einem übermenschlichen Geist.« Übermenschlich! Oder nur den besten Teilen unserer selbst, den kühnen Geistern jeder Generation. Den Wissenschaftlern. Und im Verlauf der Jahrhunderte haben wir ein Weltmodell zusammengestückelt, ein Paradigma, das doch recht genau und mächtig ist?
Aber haben wir nicht in all diesen Jahren ebenso hart - mit wenig Erfolg - versucht, uns selbst zu verstehen?
Mag sein. Vielleicht dauert das länger. Aber schau, wir haben auch ein gutes Stück Fortschritt erzielt. Und nicht erst in jüngster Zeit. Allein durch Beobachtung entdeckten die Griechen die vier Temperamente; und erst kürzlich haben wir genug über das Gehirn gelernt, um sagen zu können, was die neurologische Basis dieses Phänomens ist.
Glaubst du an die vier Temperamente?
O ja. Sie lassen sich, wenn man will, durchs Experiment bestätigen. Wie so viele, viele Dinge über den menschlichen Geist. Vielleicht ist das keine Physik, vielleicht wird es nie Physik sein. Es könnte sein, daß wir bloß komplexer und unvorhersehbarer sind als das Weltall.
Das ist wohl wenig wahrscheinlich. Schließlich bestehen wir doch aus Atomen.
Aber aus lebendigen! Angetrieben durch die grüne Kraft, lebendig mit Geist, dem großen Unerklärlichen!
Chemische Reaktionen ...
Aber warum Leben? Das ist mehr als Reaktionen. Es gibt einen Zug zur Komplizierung, der
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