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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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in die Augen und hielten ihre gefalteten Hände so hoch, wie sie reichen konnten. Die anderen minoischen Frauen vereinten sich mit dieser Brücke. Alt und jung, grün und rosig ...
    Die versteckten Kolonisten gingen zuerst unter der Brücke hindurch, darunter Maya selbst, Hand in Hand mit Michel. Und dann defilierten Leute aller Art unter der Mutterbrücke hindurch in etwas, das den Eindruck der millionsten Wiederholung eines Millionen Jahre alten Rituals erweckte, von etwas, das in ihren Genen codiert war und ihr ganzes Leben lang gewirkt hatte. Die Sufis tanzten unter den gefalteten Händen immer noch in ihren weißen bauschigen Gewändern. Dies war für die anderen ein Vorbild, die angekleidet blieben, aber direkt in das Wasser tauchten und sich unter die nackten Frauen duckten. Zeyk und Nazik führten auf dem Weg und psalmodierten: »Ana Al-Qahira, ana el-Haqq, ana Al-Qahira, ana el-Haqq.« Sie sahen aus wie Hindus im Ganges oder Baptisten im Jordan. So legten am Ende viele ihre Kleider ab. Aber alle gingen ins Wasser. Und sie sahen sich um bei dieser instinktiven und dennoch höchst bewußten Wiedergeburt. Viele trommelten auf die Wasseroberfläche mit rhythmischem Planschen zur Begleitung des Gesangs und der Rezitationen ...
    Nadia bemerkte immer und immer wieder, wie schön doch Menschen waren. Sie dachte, daß Nacktheit die soziale Ordnung gefährden könnte, weil sie zu viel Realität offenbarte. Die Menschen standen voreinander mit allen ihren Unvollkommenheiten, ihren Geschlechtsmerkmalen und ihren Hinweisen auf Sterblichkeit - aber die meisten mit ihrer erstaunlichen Schönheit, die in dem rötlichen Licht des Sonnenuntergangs im Tunnel kaum zu glauben und kaum zu verstehen oder zu erwidern war. Bei Sonnenuntergang hatte es eine starke rötliche Tönung - aber offenbar nicht genug für manche Rote, die eine ihrer Frauen mit einer roten Farbe einrieben, die sie sich besorgt hatten, wohl um eine konträre Figur zu Hiroko zu schaffen. Politisches Baden! Nadia stöhnte. Aber alle Farben gingen im Teich ab und machten das Wasser braun.
    Maya schwamm durch die seichten Stellen und stieß Nadia mit einem gebieterischen Knuff tiefer in den Teich. Sie sagte auf russisch: »Hiroko ist ein Genie. Vielleicht ist sie ein verrücktes Genie, aber ein Genie ist sie trotzdem.«
    »Muttergöttin der Welt«, sagte Nadia und ging zu Englisch über, während sie durch das warme Wasser zu einer kleinen Gruppe der Ersten Hundert und der Issei von Sabishii schwamm. Dort standen Ann und Sax nebeneinander, Ann groß und hager, Sax klein und rundlich. Sie sahen genau so aus wie in den alten Tagen in den Bädern von Underhill, wenn sie dieses oder jenes diskutierten. Sax hatte das Gesicht beim Sprechen in Konzentration verzerrt. Nadia lachte über diesen Anblick und bespritzte sie.
    Fort schwamm an ihre Seite. Er bemerkte: »Ich hätte die ganze Konferenz so laufen lassen sollen. Oh, der wird stürzen!« Und in der Tat rutschte ein Surfer, der von der krummen Wand herunterglitt, von seinem fallenden Brett ab und landete schmählich im Teich. »Seht, ich muß wieder nach Hause fahren, um helfen zu können. Außerdem heiratet eine Urururenkelin in vier Monaten.«
    »Können Sie so schnell zurückreisen?« fragte Spencer.
    »Ja, mein Schiff ist schnell.« Eine Raumfahrtabteilung von Praxis baute Raketen, die einen modifizierten Dyson-Antrieb benutzten, um während des Fluges kontinuierlich zu beschleunigen und dann zu bremsen, was eine fast direkte Flugbahn zwischen den Planeten ermöglichte.
    »Nach Bonzenart«, sagte Spencer.
    »Bei Praxis stehen die allen zur Verfügung, wenn sie in Eile sind. Wenn man die Erde besuchen will, sollte man sich umschauen, welche Verbindungen direkt sind.«
    Niemand machte dazu eine Bemerkung, obwohl einige die Augenbrauen hochzogen. Aber es war auch keine Rede mehr davon, ihn aufzuhalten.
    Die Menschen trieben umher wie Quallen in einem langsamen Wasserstrudel, schließlich beruhigt durch die Wärme, das Wasser und das, was an Wein und Kava in Bambusbechern herumgereicht wurde, und durch die Tatsache, daß das abgeschlossen war, wozu sie hergekommen waren. Das war nicht perfekt, wie die Leute sagten - bestimmt nicht perfekt -, aber immerhin etwas, besonders bei den wichtigen Punkten vier oder drei - wirklich ein Manifest - ein Anfang, ein wirklicher Anfang - mit ernsten Schwächen - besonders Punkt sechs - entschieden nicht perfekt -, aber wohl doch denkwürdig. Jemand, der im seichten Wasser saß,

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