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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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angelegt, daß sie von oben einen Drachen darstellte, der die eiförmigen Kuppeln der Stadt in seinen Klauen hielt. Eine im Schatten liegende Spalte, die die Halde querte, markierte die Stelle, wo eine Klaue aus dem schuppigen Fleisch der Kreatur heraustrat. Die Morgensonne leuchtete wie das silberne Auge des Drachen, das sie über die Schulter anblickte.
    Mayas Armband piepste, und sie nahm ärgerlich den Ruf an. Es war Marina. Sie sagte: »Saxifrage ist hier. Wir werden uns in einer Stunde am westlichen Steingarten treffen.«
    »Ich werde dort sein«, sagte Maya und trennte die Verbindung.
    Was würde das wohl für ein Tag werden? Sie ging nach Westen am Stadtrand entlang, zerstreut und deprimiert. Einhundertdreißig Jahre alt. Auf der Erde gab es in Georgien am Schwarzen Meer Abkhasier, die solches Alter ohne Behandlung erreicht haben sollten. Vermutlich kamen sie auch jetzt noch ohne so etwas aus - die gerontologische Behandlung war nur partiell auf der Erde verbreitet. Sie folgte den Isobaren von Geld und Macht, und die Abkhasier waren immer arm gewesen. Glücklich, aber arm.
    Sie versuchte, sich daran zu erinnern, wie es in Georgien gewesen war, in der Gegend, wo der Kaukasus auf das Schwarze Meer trifft.
    Die Stadt hieß Sukhumi. Sie glaubte, sie in der Jugend besucht zu haben. Ihr Vater war Georgier gewesen. Aber sie konnte sich an kein Bild erinnern, nicht im geringsten. Sie konnte sich überhaupt an gar keinen Teil der Erde erinnern - Moskau, Baikonur, die Aussicht von Novy Mir - nichts davon. Das Gesicht ihrer Mutter über dem Küchentisch, grimmig lächelnd, wenn sie bügelte oder kochte. Maya wußte, daß das geschehen war, weil sie die Worte der Erinnerung von Zeit zu Zeit übte, wenn sie traurig war. Aber die aktuellen Bilder ... Ihre Mutter war erst zehn Jahre gestorben, ehe die Behandlungen zugänglich wurden, sonst könnte sie vielleicht noch jetzt leben. Sie wäre 150 - keineswegs unsinnig; denn der derzeitige Altersrekord war um 170 und kletterte immer noch höher ohne ein Anzeichen, daß er je aufhören würde. Nur Unfälle, seltene Krankheiten und gelegentlich ärztliche Kunstfehler töteten in diesen Tagen behandelte Personen. Das und Mord. Auch Selbstmord.
    Maya kam zu den westlichen Steingärten, ohne eine der sauberen engen Straßen des alten Viertels von Sabishii gesehen zu haben. So endeten die alten Leute, indem sie sich nicht an jüngste Ereignisse erinnerten, weil sie sie beim ersten Mal nicht sahen. Verlorene Erinnerung, noch ehe sie aufkommen konnte, weil man sich so intensiv auf die Vergangenheit konzentrierte.
    Vlad, Ursula, Marina und Sax saßen auf einer Parkbank gegenüber den ursprünglichen Habitaten von Sabishii, die noch benutzt wurden, zumindest von Gänsen und Enten. Der Teich, die Brücke und Bänke aus losem Gestein und Bambus konnten direkt einem alten Holzschnitt oder Seidengemälde entnommen sein. Ein Cliche. Jenseits der Kuppelwand blähte sich weiß die große thermische Wolke des Moholes, dichter denn je, wenn das Loch tiefer und die Atmosphäre feuchter wurde.
    Maya setzte sich auf eine Bank ihren alten Gefährten gegenüber und sah sie grimmig an. Gefleckte, runzlige alte Knacker und Vetteln. Sie sahen fast wie Fremde aus, wie Leute, denen sie nie begegnet war. Ah, aber da waren Marinas stechende verschleierte Augen und Vlads leichtes Lächeln - nicht überraschend beim Gesicht eines Mannes, der achtzig Jahre lang mit zwei Frauen gelebt hatte, augenscheinlich in Harmonie und sicher in einer vollkommen isolierten Vertraulichkeit. Obwohl es hieß, Marina und Ursula seien ein lesbisches Paar und Vlad nur eine Art Kamerad oder Schoßtier. Aber das konnte niemand sicher sagen. Auch Ursula machte ein zufriedenes Gesicht wie immer. Jedermanns Lieblingstante. Doch, mit Konzentration konnte man sie erkennen. Nur Sax sah ganz anders aus, ein schmucker Mann mit einer gebrochenen Nase, die er noch nicht hatte richten lassen. Sie stand in der Mitte seines frisch verschönten Gesichts wie eine Anklage gegen sie, als ob sie ihm das angetan hätte und nicht Phyllis. Er sah ihr nicht ins Auge, sondern betrachtete ruhig die zu seinen Füßen quakenden Enten, als ob er sie studieren würde. Der Wissenschaftler bei der Arbeit. Nur war er jetzt ein verrückter Wissenschaftler, der alle ihre Pläne über den Haufen warf und mit dem nicht vernünftig zu reden war.
    Maya zog den Mund zusammen und sah Vlad an.
    Er sagte: »Subarashii und Amexx erhöhen die Zahl der Truppen der

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