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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Künstliche Beatmung? Antihistamine?« Er zuckte die Achseln. »Er starb in meinen Armen.«
    Es herrschte ein langes Schweigen, während Maya zusah, wie Zeyk sich erinnerte. Seit jener Nacht in Nicosia war fast ein halbes Jahrhundert vergangen, und Zeyk war damals schon alt gewesen.
    »Ich bin überrascht, wie gut du dich erinnerst«, sagte sie. »Meine eigene Erinnerung, selbst an Nächte wie diese... «
    »Ich erinnere mich an alles«, sagte Zeyk düster.
    »Er hat das entgegengesetzte Problem wie alle anderen«, sagte Nazik und sah ihren Gatten an. »Er erinnert sich an zu viel. Er schläft nicht gut.«
    »Hmm.« Maya überlegte. »Was war mit den anderen zwei?«
    Zeyk zog den Mund zusammen. »Das kann ich nicht sicher sagen. Nazir und ich haben den Rest der Nacht damit verbracht, uns mit Selim zu beschäftigen. Man diskutierte darüber, was mit seiner Leiche geschehen sollte. Ob man sie zur Karawane hinausschaffen und dann verheimlichen solle, was geschehen war, oder sofort die Behörden einschalten.«
    Oder mit einem einzelnen toten Mörder zu den Behörden gehen, dachte Maya und beobachtete Zeyks beherrschte Miene. Vielleicht war auch darüber diskutiert worden. Er erzählte die Geschichte nicht in der gleichen Weise. »Ich weiß nicht, was wirklich mit ihnen geschah. Ich habe das nie herausgebracht. In jener Nacht waren viele von Ahad und Fetah in der Stadt, und Yussuf hatte gehört, was Selim gesagt hatte. Es hätten also ihre Feinde, ihre Freunde oder sie selbst sein können. Sie starben später in jener Nacht in einem Zimmer in der Medina. Gerinnungsmittel.«
    Zeyk zuckte die Achseln.
    Wieder Schweigen. Zeyk seufzte und füllte seine Tasse nach. Nazik und Maya lehnten ab.
    »Aber seht ihr«, sagte Zeyk, »das ist bloß der Anfang. Das ist es, was wir gesehen haben und was wir dir zuverlässig mitteilen konnten. Danach... oje!« Er schnitt eine Grimasse. »Diskussionen, Spekulationen, Verschwörungstheorien jeder Art. Das übliche, nicht wahr? Es ist noch nie jemand einfach ermordet worden. Schon seit euren Kennedys kommt es immer darauf an, wie viele Geschichten man erfinden kann, um das gleiche Tatsachenmaterial zu erklären. Das ist das große Vergnügen bei der Verschwörungstheorie - nicht Erklärung, sondern Story. Es ist wie bei Scheherazade.«
    »Du glaubst an keine dieser Geschichten?« fragte Maya und fühlte sich plötzlich hoffnungslos.
    »Nein. Dafür habe ich keinen Grund. Die Ahad und Fetah hatten einen Konflikt. Das weiß ich. Frank und Selim standen irgendwie in Verbindung. Wie das Nicosia beeinflußte - ob es das tat...« Er atmete tief aus. »Ich weiß es nicht und sehe auch nicht, wie jemand das wissen könnte. Die Vergangenheit... Allah verzeih mir, die Vergangenheit schien ein Dämon zu sein, um hier meine Nächte zu peinigen.«
    »Es tut mir leid.« Maya stand auf. Der helle kleine Raum wirkte plötzlich beengt und überladen. Sie erhaschte einen Blick auf die abendlichen Sterne in einem Fenster und sagte: »Ich werde draußen etwas Spazierengehen.«
    Zeyk und Nazik nickten, und Nazik half ihr beim Anlegen des Helms. »Bleib nicht zu lange!« sagte sie.
    Der Himmel war dicht bedeckt mit den gewöhnlichen eindrucksvollen Sternbildern. Am Westhorizont lag ein malvenfarbenes Band. Hellespontus ragte im Osten auf. Spätes Alpenglühen verlieh seinen Gipfeln ein tiefes Rosa, das an das Indigo darüber grenzte. Beide Farben waren so rein, daß die Übergangslinie zu vibirieren schien.
    Maya ging langsam auf eine Erhebung in vielleicht einem Kilometer Entfernung zu. In den Ritzen unter ihren Füßen war etwas im Wachsen. Flechten oder darauf sitzendes Moos, deren Grün ganz schwarz erschien. Wo es ging, trat sie auf Steine. Pflanzen hatten es auf dem Mars schwer genug, ohne daß man auch noch darauf trat. Alles Lebewesen. Die Kühle der Dämmerung drang in sie ein, bis sie beim Gehen das X der Heizfilamente in den Hosen an ihren Knien fühlte. Sie stolperte und zwinkerte, um deutlicher zu sehen. Der Himmel war voller verschwommener Sterne. Irgendwo im Norden im Aureum Chaos lag der Körper von Frank Chalmers in einem Durcheinander von Eis und Sedimenten mit seinem Schutzanzug als Sarg. Getötet, während er die übrigen von ihnen davor rettete, hinweggespült zu werden. Allerdings würde er einer solchen Darstellung energisch widersprochen haben. Er würde hartnäckig erklären, daß es nur ein durch falsche Zeiteinteilung verursachter Unfall gewesen wäre. Es war aber das Resultat davon,

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