Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
daß er mehr Energie hatte als jeder sonst, Energie, die durch seine Wut genährt wurde - auf sie, auf John, auf UNOMA und alle Mächte auf der Erde. Auf seine Frau. Auf seinen Vater. Auf seine Mutter und sich selbst. Auf alles. Der zornige Mann. Der zornigste Mann, der je gelebt hatte. Und ihr Liebhaber. Und der Mörder ihres anderen Liebhabers, der großen Liebe ihres Lebens, John Boone, der sie vielleicht alle hätte retten können. Der für immer ihr Partner hätte sein können.
    Und sie hatte sie gegeneinander gehetzt.
    Jetzt war der Himmel schwarz und voller Sterne. Nur noch ein tief purpurnes Band war am westlichen Horizont verblieben. Mayas Tränen waren mit ihren Gefühlen dahin. Es war nichts mehr übrig als die schwarze Welt und ein schmaler Stich purpurner Bitterkeit, wie eine in die Nacht hinein blutende Wunde.

M anche Dinge muß man vergessen. Shikata ga nai.
    Wieder in Odessa tat Maya das einzige, was sie mit dem tun konnte, das sie gelernt hatte, und vergaß es. Sie stürzte sich in die Arbeit am Hellasprojekt, verbrachte lange Stunden im Büro über Berichten und bestimmte Teams für die verschiedenen Bohr- und Baustellen. Mit der Entdeckung des westlichen Wasserlagers hatten die Wünschelrutengruppen an Dringlichkeit eingebüßt; und es wurde mehr Nachdruck auf das Anzapfen und Auspumpen der schon gefundenen Reservoire gelegt und die Infrastruktur der Siedlungen am Rande. So folgten Bohrmannschaften auf die Wassersucher. Nach diesen kamen Leute für Pipelines; und auf der ganzen Strecke gab es Zeltgruppen, sowie auf dem Reull-Canyon oberhalb Harmakhis, die den Sufis bei einer schlimm zerfressenen Canyonwand halfen. Auf einem zwischen Dao und Harmakhis gebauten Raumhafen trafen neue Immigranten ein. Diese zogen in das obere Dao und halfen bei der Umgestaltung von Harmakhis- Reull und auch bei der Errichtung der anderen neuen Kuppelstädte rings um den Rand. Das war eine massive logistische Aufgabe und entsprach in fast jeder Hinsicht Mayas altem Traum für die Entwicklung von Hellas. Aber jetzt, da es tatsächlich geschah, fühlte sie sich äußerst häßlich und einsam. Sie war sich nicht länger sicher, was sie für Hellas wollte oder für den Mars oder für sich selbst. Oft fühlte sie sich der Gnade der Flügel ihrer Launen ausgeliefert, welche in den Monaten nach dem Besuch bei Zeyk und Nazik (obwohl sie diese Zuordnung vermied) besonders heftig waren, eine unregelmäßige Schwankung zwischen Hochstimmung und Verzweiflung, wobei die Zeit der Ausgeglichenheit durch das Wissen verdorben wurde, entweder auf dem Weg nach oben oder nach unten zu sein.
    Sie war in diesen Monaten oft unfreundlich zu Michel, oft gereizt durch seine Gelassenheit, die Art, wie er mit sich in Frieden zu sein schien und durch sein Leben trödelte, als ob seine Jahre mit Hiroko alle seine Fragen beantwortet hätten. Um eine Reaktion zu erzielen, sagte sie zu ihm: »Du bist schuld. Wenn ich dich brauchte, warst du nie da. Du hast nicht deine Pflicht erfüllt.«
    Michel pflegte das zu ignorieren und besänftigte sie so lange, bis sie wütend wurde. Er war jetzt nicht ihr Therapeut, sondern ihr Liebhaber. Wenn man seinen Liebhaber nicht ärgerlich machen konnte, was für ein Liebhaber war er dann? Sie erkannte die schreckliche Verbindung, in der man steckte, wenn der Liebhaber auch der Therapeut war, so daß ein objektives Auge und eine besänftigende Stimme zu dem distanzierenden Verhalten eines professionellen Benehmens wurden. Ein Mann, der seinen Job tat - es war unerträglich, von einem solchen Auge beurteilt zu werden, als ob er allein über allem stünde und selbst keinerlei Probleme und Emotionen hätte, die er nicht beherrschen könnte. So etwas war zu mißbilligen. Und so (im Versuch zu vergessen): »Ich habe sie beide getötet! Ich habe sie eingefangen und gegeneinander ausgespielt, um meine eigene Macht zu stärken. Ich habe es vorsätzlich getan, und du warst überhaupt keine Hilfe! Es war alles auch dein Fehler!«
    Er murmelte etwas und begann besorgt zu werden, als er sah, was kommen würde, wie einer der häufigen Stürme, die über Hellespontus in das Becken bliesen. Und sie lachte und schlug ihn heftig ins Gesicht. Sie gab ihm einen Stoß, als er zurückwich. Sie brüllte: »Komm her, du Feigling, rapple dich auf!«, bis er auf den Balkon hinauslief und die Tür mit dem Absatz geschlossen hielt. Dabei starrte er auf die Bäume im Park und schimpfte laut auf französisch, während sie gegen die Tür hämmerte.

Weitere Kostenlose Bücher