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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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einen wonnevollen Ausflug in ein älteres Odessa, in ein Europa des Geistes, das so süß und traurig war wie die Duette von Geige und Akkordeon. Aber dann fingen die Leute am Nebentisch an, darüber zu diskutieren, ein wie hoher Prozentsatz der Erdbevölkerung die Behandlung erhalten hätte - die einen meinten zehn Prozent, andere vierzig -, ein Zeichen des Informationskrieges oder einfach des Maßes an Chaos, das dort herrschte. Als sie sich von ihnen abwandte, bemerkte sie eine Schlagzeile auf dem Nachrichtenschirm über der Bar und las die Sätze, die von rechts nach links abrollten. Der Weltgerichtshof hatte seine Tätigkeit unterbrochen, um von Den Haag nach Bern umzuziehen; und Consolidated hatte die Gelegenheit dieser Unterbrechung genutzt, um gewaltsam die Besitztümer von Praxis in Kaschmir an sich zu bringen, was praktisch den Beginn eines Staatsstreichs oder Kleinkriegs gegen die kaschmirische Regierung von der Basis von Consolidated in Pakistan aus bedeutete. Indien würde natürlich mit hineingezogen werden. Und Indien hatte in letzter Zeit auch mit Praxis gute Geschäftsbeziehungen gepflegt. Indien contra Pakistan, Praxis contra Consolidated - der größte Teil der Weltbevölkerung nicht behandelt und verzweifelt...
    Als Maya an diesem Abend nach Hause kam, sagte Michel, daß dieser Überfall für den Weltgerichtshof eine Hebung seines Ansehens bedeute, insofern Consolidated seine Aktion zeitlich auf den Umzug des Gerichts abgestimmt hätte. Aber angesichts der Verwüstung in Kaschmir und der Umkehrentwicklung für Praxis war Maya nicht in der Stimmung, ihm zuzuhören. Michel war so stur optimistisch, daß es ihr manchmal unklug erschien oder zumindest erschwerte, ihm nahe zu sein. Eines mußte man zugeben: Sie lebten in einer sich verdüsternden Situation. Der Zyklus von Wahnsinn kam auf der Erde wieder in Gang in seiner unerbittlichen Sinuswelle, einer Welle, die noch schlimmer war als die Mayas. Bald würden sie wieder in einem jener unkontrollierten Paroxysmen stecken und darum ringen, der Vernichtung zu entgehen. Das konnte sie fühlen. Sie erlebten einen Rückfall.
    Maya machte sich zur Gewohnheit, regelmäßig in dem Eckcafe zu speisen, die Band zu hören und allein zu sein. Sie saß mit dem Rücken zur Bar; aber es war unmöglich, sich nicht Gedanken zu machen über die Erde, ihren Kurs und ihre Erbsünde. Sie versuchte zu verstehen, sie versuchte, es so zu sehen, wie Frank es gesehen hätte, und versuchte, seine Stimme zu hören, wie er es analysierte. Die Gruppe der Elf (die alte G-7 plus Korea, Azania, Mexico und Rußland) hatte noch nominell das Kommando über einen großen Teil der Macht der Erde in Form von Militär und Kapital. Die einzigen echten Konkurrenten für diese alten Dinosaurier waren die großen Metanationalen, die wie Athene aus den Transnationalen hervorgegangen waren. Die großen Transnationalen - und in der Ökonomie der zwei Welten war definitionsgemäß nur für etwa ein Dutzend von ihnen Raum - waren natürlich daran interessiert, Länder in der Elfergruppe zu übernehmen, wie sie es mit so vielen kleineren Ländern schon getan hatten. Die Metanationalen, die bei diesem Bemühen Erfolg hätten, würden wahrscheinlich das Spiel um die Vorherrschaft untereinander gewinnen. Darum versuchten einige von ihnen, die G-11 zu teilen und zu erobern. Dabei taten sie ihr Bestes, die Elf gegeneinander aufzuhetzen oder einige zu bestechen, um die Reihen zu brechen. In dieser ganzen Zeit konkurrierten sie gegeneinander, so daß, während einige sich mit G-11-Ländern verbündet hatten, um sie sich unterzuordnen, andere sich auf ärmere Länder oder die Babytiger konzentriert hatten, um deren Kraft zu stärken. So gab es ein komplexes Gleichgewicht der Kräfte. Die stärksten alten Nationen standen gegen die größten neuen Metanationalen; und die Islamische Liga, Indien, China und die kleineren Metanationalen existierten als unabhängige Kraftzentren und Mächte, über die man nichts voraussagen konnte. Somit war das Gleichgewicht der Kräfte wie jedes momentane Gleichgewicht zerbrechlich. Das mußte so sein, da die Hälfte der Erdbevölkerung in Indien und China lebte - ein Umstand, den Maya nie ganz glauben oder verstehen konnte. Geschichte war so seltsam; und man konnte nicht wissen, zu welcher Seite dieser Hälfte der Menschheit sich die Waage neigen würde.
    Und natürlich warf das zuerst die Frage auf, warum es so viel Streit gab. Warum nur, Frank? dachte sie, während sie

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