Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
hineinsickerten.
»Wird man nicht diese ganze Aufschüttung durch Beton ersetzen müssen?« fragte sie Sax, der sie begleitet hatte und durch seinen eigenen Feldstecher mit hinschaute.
»Verkleiden«, sagte er. Nadia erwartete eine schlechte Nachricht, aber er fuhr fort: »Man muß den Deich mit einer Diamantschicht verkleiden. Die würde ziemlich lange halten. Vielleicht 'ein paar Millionen Jahre.«
»Hmm«, machte sie. Wahrscheinlich war das richtig. Vielleicht könnte von unten etwas einsickern. Aber auf jeden Fall würde man, wie auch immer die besonderen Umstände sein mochten, das System ständig warten müssen, und ohne Fehlerspielraum, da Burroughs nur fünfzig Kilometer südlich vom Deich lag und etwa hundertfünfzig Meter tiefer. Ein merkwürdiger Platz, um zu verrecken. Nadia richtete ihr Glas in Richtung zur Stadt, aber die lag gerade hinter dem Horizont etwa siebzig Kilometer im Nordwesten. Natürlich konnten Deiche wirksam sein. Die in Holland hatten jahrhundertelang gehalten und Millionen Menschen und Hunderte von Quadratkilometern geschützt - bis zu der jüngsten Überschwemmung. Und auch jetzt würden diese großen Deiche halten und zuerst durch flankierende Fluten durch Deutschland und Belgien gefährdet werden. Deiche konnten gewiß wirksam sein. Aber es war trotzdem ein seltsames Schicksal.
Nadia richtete ihren Feldstecher auf das zerrissene Gestein der Großen Böschung. Was aus der Ferne wie Blumen aussah, waren in Wirklichkeit massive Haufen von Korallenkaktus. Ein Strom sah aus wie eine Treppe aus violetten Polstern. Der rohe rote Stein ließ die Landschaft sehr eindrucksvoll, surreal und schön erscheinen ... Nadia wurde von einem jähen Ausbruch von Angst davor betroffen, daß etwas mißlingen und sie plötzlich getötet werden könnte, daran gehindert, noch mehr von dieser Welt und ihrer Entwicklung mitzuerleben. Das könnte passieren. Jeden Augenblick konnte ein Geschoß aus dem violetten Himmel herausstoßen. Dies Refugium war ein Übungsziel, wenn irgendein verängstigter Batteriechef draußen beim Raumhafen von Burroughs von seiner Existenz erführe und beschlösse, mit dem Problem reinen Tisch zu machen. Sie könnten binnen Minuten nach einer solchen Entscheidung tot sein.
Aber so war das Leben auf dem Mars. Sie konnten binnen Minuten wie immer durch jede Menge unerwarteter Ereignisse tot sein. Sie ließ den Gedanken fallen und ging mit Sax die Treppe hinunter.
Sie wollte nach Burroughs hineingehen und etwas sehen, um an Ort und Stelle zu sein und sich selbst ein Urteil zu bilden. Umhergehen und die Bürger der Stadt anschauen, sehen, was sie machten und sagten. Spät am Donnerstag sagte sie zu Sax: »Komm, laß und hineingehen und einen Blick darauf werfen!«
Aber das schien unmöglich zu sein. »Die Sicherheit ist an allen Toren sehr streng«, sagte Maya ihr über das Armband. »Und die ankommenden Züge werden am Bahnhof scharf kontrolliert. Dasselbe gilt für die U-Bahn zum Raumhafen. Die Stadt ist geschlossen. Wir sind praktisch Geiseln.«
»Was geschieht, können wir auf dem Bildschirm sehen«, erklärte Sax. »Das macht nichts aus.«
Nadia stimmte mißmutig zu. Offenbar shikata ga nai. Aber die Situation gefiel ihr nicht, da sie sich nach ihrer Meinung zu rasch einem Patt näherte, mindestens lokal. Und sie war höchst neugierig auf die Verhältnisse in Burroughs. »Sag mir, wie es steht!« sagte sie zu Maya über die Telefonverbindung.
»Nun, sie haben die Kontrolle über die Infrastruktur«, sagte Maya. »Physikalische Versorgungsanlage, Tore und so weiter. Aber sie sind nicht genug Leute, um die Menschen in Hausarrest zu halten oder zur Arbeit zu zwingen und dergleichen. Sie scheinen also nicht zu wissen, was sie als nächstes tun sollen.«
Nadia konnte das verstehen, da auch sie einen Verlust empfand. Jede Stunde kamen mehr Sicherheitskräfte in die Stadt mit Zügen aus Kuppelstädten, die man aufgegeben hatte. Diese neu Angekommenen vereinigten sich mit ihren Kameraden und blieben in Nähe der Versorgungsanlage und der Stadtbüros. Sie bewegten sich unbehelligt in schwerbewaffneten Gruppen in der Stadt. Sie waren in Wohnbezirken von Branch Mesa, Double Decker Butte und Black Syrtis Mesa einquartiert; und ihre Anführer trafen sich mehr oder weniger ständig im UNTA-Hauptquartier in Table Mountain. Aber sie erteilten keine Befehle.
Somit waren die Dinge unbehaglich in der Schwebe. Die Büros von Biotique und Praxis dienten allen noch als Informationszentren.
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