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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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würde, nahm Sax seinen Computer aus der Tasche und fing an zu rechnen.
    Er starrte auf den kleinen Kasten und erkannte plötzlich, daß es der von Sax Russell war. Wenn man ihn untersuchte, würde er ihn verraten. Das war so, als ob man einen echten Paß bei sich hätte.
    Er verwarf diesen Gedanken, da man jetzt nichts daran ändern konnte. Er konzentrierte sich auf die Farbe des Himmels. Bei sauberer Luft wurde die Himmelsfarbe hauptsächlich durch Lichtstreuung in den Luftmolekülen selbst verursacht. Damit war die Dichte der Atmosphäre kritisch. Der Luftdruck hatte bei ihrer Ankunft etwa 10 Millibar betragen und lag jetzt bei durchschnittlich 160. Aber da der Luftdruck durch das Gewicht der Luft erzeugt wurde, hatte es auf dem Mars ungefähr dreimal so viel Luft erfordert, 160 Millibar über irgendeiner Stelle zu erzielen, als ein solcher Druck auf der Erde erfordert hätte. Also mußten die 160 Millibar hier ebensoviel Licht streuen wie 480 Millibar auf der Erde. Das bedeutete, der Himmel über ihnen sollte etwa die dunkelblaue Farbe haben, wie man sie auf Fotos sieht, die im Gebirge über viertausend Meter Höhe aufgenommen sind.
    Aber die Farbe, welche die Fenster und das Oberlicht ihres Rovers erfüllte, war etwas mehr rötlich; und selbst an klaren Morgen nach schweren Stürmen hatte Sax sie nicht so blau wie den irdischen Himmel gesehen. Er dachte weiter darüber nach. Ein anderer Effekt der geringeren Schwere auf dem Mars war, daß die Luftsäule höher reichte als auf der Erde. Es war möglieh, daß die feinsten Gruspartikel praktisch im Schwebezustand waren und über die Höhe der meisten Wolken hinausgetragen wurden, wo sie nicht mehr von Stürmen weggerissen werden konnten. Sax erinnerte sich, daß man Dunstschichten fotografiert hatte, die mindestens fünfzig Kilometer hoch lagen, weit über den Wolken. Ein anderer Faktor könnte die Zusammensetzung der Atmosphäre sein. Kohlendioxidmoleküle streuen das Licht stärker als Sauerstoff und Stickstoff, und der Mars hatte den besten Bemühungen von Sax zum Trotz immer noch mehr CO2 in seiner Atmosphäre als die Erde. Die Effekte dieser Differenz würden sich berechnen lassen. Sax gab die Rayleighsche Gleichung für Streulicht ein, wonach die pro Einheitsvolumen Luft gestreute Lichtenergie der vierten Potenz der Wellenlänge der einfallenden Strahlung proportional ist. Dann kritzelte er seine Schreibtafel voll, änderte die Variablen, sah Handbücher nach oder füllte aus der Erinnerung geschätzte Größen ein.
    Er kam zu dem Schluß, daß der Himmel, wenn die Atmosphäre die Dichte von 1 Bar erreicht hätte, wahrscheinlich milchig weiß werden würde. Er bestätigte auch, daß der Marshimmel am heutigen Tage theoretisch viel blauer sein müßte, wenn das blaue Streulicht sechzehnmal stärker war als das rote. Dies ließ darauf schließen, daß Grusteilchen sehr hoch in der Atmosphäre den Himmel wohl röter machten. Wenn diese Erklärung stimmte, konnte man folgern, daß Farbe und Opazität des Marshimmels noch viele Jahre sehr großen Schwankungen unterliegen würden, je nach dem Wetter und anderen Einflüssen auf die Reinheit der Luft...
    Und so arbeitete er weiter und versuchte, Strahlungsintensitäten des Himmelslichts, Chandrasekhars Gleichung über Strahlungstransfer, Farbskalen, chemische Zusammensetzung des Aerosols und Legendresche Polynome in die Berechnung einzubeziehen, um die angularen Streuintensitäten zu ermitteln, mit Riccati-Bessel-Funktionen die Streuquerschnitte zu bestimmen und so weiter. Das beschäftigte ihn den größeren Teil der Fahrt zum Arenagletscher, wobei er sich scharf konzentrierte und die Welt und die Situation, in der er sich jetzt befand, ignorierte.
    Zeitig an diesem Nachmittag kamen sie zu einer kleinen Stadt namens Bradbury, die unter ihrer Kuppel von der Nicosia-Klasse wie etwas aus Illinois aussah. Schwarz gepflasterte Straßen zwischen Baumreihen, verglaste Verandas vor zweistöckigen Backsteinhäusern mit Schindeldächern, eine Hauptstraße mit Läden und Parkuhren, ein Zentralpark mit einem weißen Aussichtstürmchen unter großen Ahornbäumen ...
    Sie wandten sich auf einer kleineren Straße nach Westen über den Gipfel von Syrtis Major. Die Straße bestand aus schwarzem Sand, der von Steinen geräumt und mit einem Fixativ besprüht worden war. Die ganze Gegend war sehr dunkel. Syrtis Major war das erste Oberflächenmerkmal der Mars gewesen, das Christiaan Huygens am 28. November 1659 im Fernrohr gesehen

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