Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
meine!«
»Vielleicht später, wenn wir mit dieser Stufe der Verhandlungen fertig sind. Eigentlich bist du es, der hier sein müßte, und nicht ich.«
»Ich kann auf meinem Handgelenk zuschauen. Es gibt keinen Grund, dort persönlich anwesend zu sein. Bitte, Maya!«
Sie machte eine Pause; irgend etwas in seinem Ton nahm sie gefangen. »Okay, ich werde es versuchen«, willigte sie ein. »Es wird aber nicht so bald sein, ganz gleich was du sagst.«
»Wenn du nur überhaupt kommst.«
Danach verbrachte er seine Tage mit Warten auf Maya, obwohl er versuchte, nicht daran zu denken. Er fuhr jeden wachen Augenblick in einem Mietwagen umher, manchmal mit Sylvie, manchmal allein. Trotz des Moments der Erinnerung in dem Olivenhain, oder vielleicht auch gerade deswegen, fühlte er sich völlig fehl am Platz. Er wurde aus irgendeinem Grund von der neuen Küstenlinie angezogen, fasziniert durch die Anpassung an das neue Meeresniveau, die die Ortsansässigen vollzogen. Er fuhr oft auf Umwegen zu ihnen. Die zu steilen Klippen und plötzlichen Marschen führten in tiefe Täler. Viele der Küstenfischer waren algerischer Abstammung. Die Fischerei ging nicht gut, sagten sie. Die Camargue war durch überschwemmte Industriegebiete verschmutzt, und im Mittelmeer blieben die Fische größtenteils außerhalb des braunen Wassers. Im Blauen, das einen halben Tagesausflug entfernt war, lauerten viele Gefahren.
Das Hören und Sprechen von Französisch, selbst von diesem merkwürdigen neuen Französisch, war so, als ob mit einer Elektrode Teile seines Gehirns berührt würden, die seit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr besucht worden waren. Regelmäßig tauchten unbeholfen wie Quastenflosser Bilder der Vergangenheit auf. Erinnerungen an Freundlichkeiten, die ihm von Frauen erwiesen worden waren, und seine Grausamkeiten ihnen gegenüber. Vielleicht war er deshalb zum Mars gegangen, um vor sich selbst zu fliehen, vor dem unangenehmen jungen Mann, der er damals gewesen war.
Nun, wenn die Flucht vor sich selbst sein Verlangen gewesen war, so hatte er Erfolg gehabt. Jetzt war er jemand anders. Ein hilfsbereiter, sympathischer Mensch. Er konnte offen in einen Spiegel blicken. Er konnte heimkehren und dem, was er gewesen war, gegenübertreten, als der, der er geworden war. Das hatte der Mars auf jeden Fall bewirkt.
Es war eigenartig, wie das Gedächtnis arbeitete. Die Fragmente, die sich hier an die Oberfläche arbeiteten, waren so klein und scharf, wie jene winzigen Kaktusstacheln, die weit mehr verletzten, als es ihrer geringen Größe entspricht. An was er sich am deutlichsten erinnerte, war sein Leben auf dem Mars. Odessa, Burroughs, die unterirdischen Schutzräume im Süden, die verborgenen Vorposten im Chaos. Sogar Underhill.
Wenn er während der Jahre in Underhill zur Erde zurückgekehrt wäre, hätten ihm die Medienleute die Türe eingerannt. Aber er hatte seit seinem Verschwinden mit Hiroko keinen Kontakt zur Erde gehabt; und obwohl er seit der Revolution nicht versuchte hatte, sich zu verstecken, schienen in Frankreich nur wenige sein Wiederauftauchen bemerkt zu haben. Die ungeheure Tragweite der jüngsten Ereignisse auf der Erde hatten eine gewisse Störung der Medienkultur bewirkt. Oder vielleicht war es bloß der Lauf der Zeit. Der größte Teil der Bevölkerung Frankreichs war erst nach seinem Verschwinden geboren worden, und die Ersten Hundert waren für sie alte Geschichte, allerdings nicht alt genug, um nicht wirklich interessant zu sein. Wenn Voltaire oder Ludwig XIV. erschienen wären, hätte das vielleicht eine gewisse Aufmerksamkeit erregt; aber ein Psychologe aus dem vorigen Jahrhundert, der auf den Mars ausgewandert war, der eine Art von Amerika darstellte, zu dem bereits alles gesagt und getan war? Nein, das war für niemanden mehr von besonderem Interesse. Er erhielt einige Anrufe, es kamen ein paar Leute in das Hotel in Arles, um ihn in der Lobby oder auf dem Hof zu interviewen, und danach kamen auch ein paar Shows in Paris. Aber sie alle waren mehr daran interessiert, was er ihnen über Nirgal sagen konnte als über sich selbst.
Nirgal war der einzige, von dem die Leute fasziniert waren. Er war für sie charismatisch.
Und ohne Zweifel war es besser so, obwohl Michel in Cafes saß und seine Mahlzeiten einnahm und sich so einsam fühlte, als wäre er in einem Rover allein im fernen Hinterland des Gebirges des Südens. Es war etwas enttäuschend, völlig ignoriert zu werden, nur ein vieux unter all den übrigen zu
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