Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Arles spazieren und wartete auf sie. Er ging in sein Zimmer zurück, um zu warten. Dann ging er für einen Spaziergang wieder raus.
Die Römer hatten Arles ebenso als Hafen genutzt wie Marseille. Tatsächlich hatte Cäsar Marseille zerstört, weil es Pompeji unterstützt hatte, und Arles den Vorzug als regionale Hauptstadt gegeben. Es wurden drei strategische Römerstraßen gebaut, die in der Stadt zusammenliefen und alle noch Jahrhunderte lang benutzt wurden, nachdem die Römer gegangen waren. So hatte die Stadt während dieser Zeit lebhaft, erfolgreich und einflußreich gelebt. Die Rhone hatte jedoch ihre Lagunen verschlammt, die Camargue war ein verpesteter Sumpf geworden, und die Straßen waren schließlich außer Gebrauch gekommen. Die Stadt war heruntergekommen. Zu den berühmten salzigen Grasflächen und Herden weißer Pferde der Carmargue waren schließlich Ölraffinerien, Kernkraftwerke und chemische Fabriken gekommen.
Jetzt waren mit der Flut die saubergespülten Lagunen wieder da. Arles war wieder ein Seehafen. Michel wartete genau dort weiter auf Maya, weil er noch nie in Arles gelebt hatte. Es erinnerte ihn an nichts außer den Augenblick; und er verbrachte seine Tage damit, die Menschen zu beobachten, wie sie ihr Leben lebten. In diesem neuen fremden Land.
Er empfing im Hotel einen Anruf von einem gewissen Francis Duval. Sylvie hatte den Mann kontaktiert. Er war Michels Neffe, der Sohn von Michels verstorbenen Bruder. Er lebte noch in der Rue du 4 Septembre, die gleich nördlich der römischen Arena, ein paar Blocks von der angeschwollenen Rhone entfernt lag, unweit von Michels Hotel. Er lud Michel ein, ihn zu besuchen.
Nach kurzem Zögern sagte Michel zu. Nachdem er durch die Stadt gegangen war und kurz angehalten hatte, um einen Blick in das römische Theater und die Arena zu werfen, erschien sein Neffe, der das ganze quartier zu einer spontanen Feier zusammengeholt zu haben schien. Die Champagnerkorken knallten wie die Knallfrösche, als Michel durch die Tür gezerrt und von allen abgeküßt wurde - nach Sitte der Provence dreimal auf die Wangen. Es dauerte eine Weile, bis er zu Francis kam, der ihn lange und fest an sich drückte und die ganze Zeit redete, während die Glasfasern der Kameras aller Leute auf sie gerichtet waren. »Du siehst genau so aus wie mein Vater!« sagte Francis.
»Du auch!« erklärte Michel und versuchte sich zu erinnern, ob das überhaupt stimmte oder nicht, indem er die Erinnerung an das Gesicht seines Bruders zu wecken bemüht war. Francis war ziemlich alt. Michel hatte seinen Bruder nie so alt gesehen. Es war schwer zu sagen.
Aber alle Gesichter waren irgendwie vertraut und die Sprache größtenteils verständlich. Die Gesprächsfetzen ließen ein Bild nach dem anderen in ihm aufleuchten. Mehr aber die Gerüche von Käse und Wein und noch stärker der Geschmack des Weines. Francis erwies sich als Connoisseur und entkorkte fröhlich eine Anzahl verstaubter Flaschen: Chäteauneuf du Pape, dann einen jahrhundertalten Sauterne von Chäteau d'Yquem und als seine Spezialität einen roten Bordeaux premier cru genannt Pauillac, je zwei von Chäteaux Latour und Lafitte, sowie einen 2064er Chäteau Mouton-Rothschild mit einer Etikette von Pougnadoresse. Diese betagten Wunder hatten sich im Laufe der Jahre zu etwas verwandelt, das mehr war als Wein, mit einem Geschmack reich an Obertönen und Harmonie. Sie rannen Michel die Kehle hinunter wie seine eigene Jugend.
Es hätte eine Party für einen beliebten Stadtpolitiker sein können; und obwohl Michel zu dem Schluß kam, daß Francis seinem Bruder nicht sehr ähnlich war, hörte er sich genau wie dieser an. Michel hätte gedacht, seine Stimme vergessen zu haben; aber es war ihm geradezu erschütternd klar. Die Art, wie Francis das Wort normalement hinzog, das in diesem Falle meinte, wie die Dinge vor der Flut gewesen waren, während es für Michels Bruder jenen hypothetischen Zustand glatter Unternehmungen bezeichnet hatte, den es in der wirklichen Provence nie gegeben hatte. Aber es war genau der gleiche Tonfall - nor - mal - e - ment...
Ein jeder wollte mit Michel sprechen oder zumindest hören, was er sagte; und so stand er da mit einem Glas in der Hand und hielt eine flotte Rede im Stil eines Stadtpolitikers, machte den Frauen Komplimente wegen ihrer Schönheit und schaffte es klar zu machen, wie erfreut er sei, sich in ihrer Gesellschaft zu befinden, ohne sentimental zu werden oder merken zu lassen, wie desorientiert
Weitere Kostenlose Bücher