Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
vom Swing brauchten. Nach Nadias Ansicht eine sehr witzige und liebliche Musik. Und als Bestes von allen ließ Art häufig Clifford Brown erklingen, eine Entdeckung, die Art bei seinen Nachforschungen für sie gemacht hatte und auf die er sehr stolz war und ihr gegenüber ständig als logischen Nachfolger von Armstrong empfahl - ein vibrierender Trompetenton, der fröhlich, positiv und melodiös klang wie Satch und auch brillant und schwierig wie Parker, einfach heiter. Das war der perfekte Soundtrack für diese wilden Zeiten, anregend und intensiv, und so positiv wie möglich.
So brachte Art das Frühstück herein und sang >A11 of Me<, recht gut bei Stimme, und mit Satchmos Grunderkenntnis, daß amerikanische Liederlyrik nur als verrückter Spaß behandelt werden sollte: »All of me, why not take all of me, Can't you see, I'm no good without you.« Mit Musik im Raum und dem Rücken zum Fenster machten die Morgen Spaß.
Aber ganz gleich, wie gut die Tage anfingen, der Rat verzehrte ihr Leben. Nadia hatte ihr Kontingent an Geduld fast aufgebraucht und wurde zusehends unruhiger. Das Zanken, Verhandeln, Kompromisse eingehen, Versöhnen - der Umgang mit Menschen, Minute um Minute. Sie haßte das mehr und mehr.
Art erkannte das und begann, sich zu sorgen. Schließlich, eines Tages nach der Arbeit, holte er Ursula und Vlad herbei. Die vier aßen in Nadias Apartment zusammen. Art kochte. Nadia genoß die Gesellschaft ihrer alten Freunde. Sie waren geschäftlich in der Stadt; aber sie zum Dinner her zu bringen, war Arts Idee gewesen, und die war gut. Er war ein gefälliger, freundlicher Mann, wie Nadia dachte, als sie ihn in der Küche wirtschaften sah. Geschickter Diplomat als harmloser Trottel - oder umgekehrt. Wie ein liebenswürdiger Frank. Oder eine Mischung aus Franks Geschicklichkeit und Arkadij s Fröhlichkeit. Sie lachte über sich selbst, weil sie immer in Begriffen der Ersten Hundert dachte, als ob ein jeder irgendwie eine Rekombination der Eigenschaften jener ursprünglichen Familie wäre. Das war eine schlechte Gewohnheit von ihr.
Vlad und Art sprachen über Ann. Sax hatte offenbar Vlad aus der Rakete bei der Rückkehr zum Mars angerufen, erschüttert durch seine Unterhaltung mit Ann. Er fragte sich, ob Vlad und Ursula in Betracht ziehen würden, Ann die gleiche plastische Behandlung angedeihen zu lassen, der sie ihn nach seinem Schlaganfall unterzogen hatten.
»Ann würde das nie machen«, sagte Ursula.
»Ich bin froh darüber«, erklärte Vlad. »Das wäre zuviel. Ihr Gehirn wurde nicht geschädigt. Wir wissen nicht, was diese Behandlung in einem gesunden Gehirn anrichten könnte. Und man sollte, solange man nicht verzweifelt ist nur das unternehmen, was man versteht.«
»Vielleicht ist Ann verzweifelt«, gab Nadia zu bedenken.
»Nein. Sax ist verzweifelt.« Vlad lächelte kurz. »Er möchte eine andere Ann haben, und zwar bevor er zurückkommt.«
»Du wolltest auch nicht, daß Sax diese Behandlung bekam«, warf Ursula ein.
»Das stimmt. Ich hätte es mir selbst nicht angetan. Aber Sax ist ein kühner Mann. Ein impulsiver Mann.« Vlad wandte sich Nadia zu. »Wir sollten bei Dingen bleiben wie deinem Finger. So etwas können wir jetzt reparieren.«
»Was stimmt damit nicht?« fragte Nadia überrascht.
Sie lachten. Ursula sagte: »Dir fehlt doch einer. Wir könnten ihn wieder wachsen lassen, wenn du willst.«
»Ka«, rief Nadia. Sie lehnte sich zurück und blickte auf ihre linke Hand, den Stumpf des fehlenden kleinen Fingers. »Nun, ich brauche ihn wirklich nicht.«
Sie lachten wieder. »Du hättest uns zum Narren halten können«, sagte Ursula. »Du hast dich immer beim Arbeiten darüber beklagt.«
»Wirklich?«
Sie nickten alle.
»Ich werde dir beim Schwimmen helfen«, schlug Ursula vor.
»Ich schwimme nicht mehr viel.«
»Vielleicht hast du wegen deiner Hand aufgehört.«
Nadia betrachtete ihre verstümmelte Hand. »Ka. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Seid ihr sicher, daß es funktionieren wird?«
»Er könnte sich zu einer ganzen weiteren Hand auswachsen«, meinte Art. »Dann zu einer weiteren Nadia. Du würdest zu einem siamesischen Zwillingspaar werden.«
Nadia stieß ihn von der Seite in seinen Sessel. Ursula schüttelte den Kopf. »O nein. Wir haben das schon für andere Amputierte gemacht und eine Menge Versuchstiere. Hände, Arme, Beine. Wir haben das von den Fröschen gelernt. Wirklich ganz prima.
Die Zellen entwickeln sich genau so wie beim ersten Mal, als der Finger
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