Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Antwort auf den Angriff der Roten, den Jackie selbst befürwortet hatte.
»Du wußtest nichts von Cojote, bis du sechs oder sieben Jahre alt wärest«, sagte sie. »Ist das richtig?«
»Wahr, aber nicht richtig.«
»Was?«
»Es war nicht richtig.« Und er schaute ihr in die Augen.
Aber sie sah weg, auf das Baby hinunter. »Besser, als wenn die Eltern einander vor den Augen des Kindes in Stücke reißen.«
»Ist es das, was du mit dem Vater tun würdest?«
»Wer weiß?«
»Es ist auf diese Weise also sicherer.«
»Vielleicht. Eine Menge Frauen in Dorsa Brevia halten es so.«
»In Dorsa Brevia.«
»Überall. Die biologische Familie ist nicht gerade eine Institution des Mars.«
»Ich weiß nicht.« Nirgal überlegte. »Ich habe wirklich eine Menge Familien in den Canyons gesehen.
Wir kommen in dieser Hinsicht aus einer ungewöhnlichen Gruppe.«
»In vielerlei Hinsicht.«
Ihr Kind wich zurück, und Jackie stopfte ihre Brust in den Büstenhalter und zog das Hemd herunter. »Marie?« rief sie, und ihre Assistentin kam herein. »Ich denke, ihre Windel muß gewechselt werden.« Sie übergab das Kleinkind der Frau, die ohne ein Wort hinausging.
»Jetzt Bedienstete?« fragte Nirgal.
Jackie preßte den Mund wieder zusammen und stand auf. Sie rief: »Mem?«
Eine andere Frau kam herein, und Jackie sagte: »Mem, wir werden mit diesen Leuten vom Umweltgerichtshof wegen dieses chinesischen Ersuchens zusammenkommen müssen. Es könnte sein, daß wir es als Hebel benutzen können, damit die Wasserzuteilung für Cairo neu erwogen wird.«
Mem nickte und verließ den Raum.
»Du triffst einfach die Entscheidungen?« fragte Nirgal.
Jackie entließ ihn mit einer Handbewegung. »Es ist hübsch, dich wieder zurück zu haben, Nirgal. Aber bemühe dich aufzuholen, okay?«
Aufholen. Der Freie Mars war jetzt eine politische Partei, die größte auf dem Planeten.
Das war nicht immer so gewesen. Es hatte eher als ein Netz von Freunden begonnen, oder als der Teil des Untergrundes, der in der Demimonde lebte. Zumeist frühere Studenten der Universität in Sabishii oder später Mitglieder einer sehr lockeren Gemeinschaft in den überkuppelten Canyons und heimlichen Clubs in den Städten und so fort. Eine Art vager Schirm für Leute, die mit dem Untergrund sympathisierten, aber keiner spezielleren politischen Bewegung oder Philosophie anhingen. Wie sie sagten: Einfach Freier Mars.
In vieler Hinsicht war das von Nirgal begründet worden. So viele Eingeborene waren an Autonomie interessiert gewesen; und die verschiedenen Issei-Parteien, die auf den Gedanken des einen oder anderen Siedlers beruhten, sprachen sie nicht an. Sie hatten etwas Neues gewollt. Und so war Nirgal um den Planeten gereist und hatte sich bei Leuten aufgehalten, die Meetings oder Diskussionen organisierten. Das war so lange gegangen, daß die Leute schließlich auf einem Namen bestanden. Man wollte die Dinge beim Namen nennen können.
Daher also: Freier Mars. Und in den Revolutionsjahren wurde die Organisation ein Treffpunkt für die Eingeborenen, der aus der Gesellschaft als ein Phänomen auftauchte, zu dem sich viel mehr Leute als zugehörig erklärten, als man hätte für möglich halten können. Millionen.
Die Majorität der Einheimischen. Das war die eigentliche Definition der Revolution. Das war der Hauptgrund für ihren Erfolg. Freier Mars als Motto und Imperativ. Und das hatten sie durchgesetzt.
Aber dann war Nirgal zur Erde abgereist, entschlossen, ihre Sache dort zu vertreten. Und während seiner Abwesenheit war im Verfassungskongreß der Freie Mars von einer Bewegung zu einer Organisation geworden. Das war gut so, es war der normale Gang der Ereignisse, ein notwendiger Teil der Institutionalisierung ihrer Unabhängigkeit. Niemand konnte sich darüber beklagen oder den guten alten Tagen nachtrauern, ohne Sehnsucht nach einer heroischen Zeit zu offenbaren, die eigentlich gar nicht heroisch gewesen war und auch unterdrückt und beschränkt gewesen war und darüber hinaus als unpassend und gefährlich galt. Nein, Nirgal war es nicht nach Nostalgie zumute. Der Sinn des Lebens lag nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart; nicht im Widerstand, sondern in der positiven Äußerung. Nein, er wollte nicht, daß es so sein sollte wie früher. Er war glücklich, daß sie (wenigstens teilweise) ihr Schicksal selbst bestimmten. Das war nicht das Problem. Noch machte ihm der enorme Zuwachs der Parteigänger Sorgen, die der Freie Mars hatte. Die
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