Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
kleinen Einbuchtung. Diese erwies sich als höchste Stelle einer steilen Schlucht, aus der Geröll auf den Boden des Caynons hinunterkollerte. Als die Antilopen in diese Schlucht abstiegen, eilten alle Jäger an die Kante und sahen zu, wie die drei Tiere in einer erstaunlichen Entfaltung von Kraft und Gleichgewichtsgefühl mit enormen Sprüngen hinunterliefen. Ein Jäger heulte: »Ohhhhh«; und bei diesem Schrei rannten alle Jäger kreischend und grunzend hinüber zum Kopf der Schlucht. Nirgal gesellte sich zu den anderen, ließ sich über den Rand fallen; und dann verfielen alle in einen verrückten Abstieg mit Gepolter und Sprüngen. Und obwohl Nirgals Beine weich waren, kamen ihm jetzt seine endlosen Tage von Lung-gom zustatten; denn er überholte die meisten anderen, wenn er von Felsblöcken sprang und kleine Strecken auf rutschender Erde hinunterschlitterte. Er machte große verzweifelte Sprünge und hielt Balance, wie jeder andere auf den Moment konzentriert, um ohne bösen Sturz rasch nach unten zu gelangen.
Erst als er glücklich auf dem Boden des Canyons angelangt war, schaute Nirgal wieder hoch und sah, daß der Canyon von dem Wald gefüllt war, den er von oben kaum bemerkt hatte. Bäume standen hoch über einem von Nadeln bedeckten Boden aus Altschnee. Große Föhren und Fichten, und weiter aufwärts im Süden massive Stämme von Riesensequoien, großen Bäumen, die so gigantisch waren, daß der Canyon plötzlich nicht mehr tief wirkte, obwohl der Abstieg einige Zeit gedauert hatte. Es waren die Baumwipfel, die über den Canyonrand geragt hatten. Gigantische Sequoien, gentechnisch behandelt, die zweihundert Meter hoch waren und wie große, stille Heilige ihre Arme in einem weiten Kreis über Tochterbäume ausbreiteten, über die Föhren und Fichten, die dünnen Schneeflecken und die braunen Nadelbetten.
Die Antilopen waren in diesem urtümlichen Wald im Canyon in südlicher Richtung nach oben gelaufen; und mit fröhlichem Gebrüll folgten ihnen die Jäger, indem sie von einem Baumstamm zum anderen rannten. Die mächtigen Zylinder rissiger roter Borke ließen alles andere zwergenhaft erscheinen. Sie sahen alle aus wie kleine Tiere, wie Mäuse, die in dem schwindenden Licht über einen beschneiten Waldboden sprangen. Nirgal kribbelte die Haut am Rücken und den Flanken. Er stand von dem Abstieg in die Schlucht immer noch unter Adrenalin. Er keuchte, und ihm war schwindelig. Es war klar, daß sie die Antilopen nicht fangen würden. Er wußte nicht, was sie vorhatten. Dennoch rannte er zwischen den riesigen Bäumen dahin und folgte den führenden Jägern. Die Jagd an sich war alles, was er begehrte.
Dann wurden die Sequoia-Türme spärlicher, wie am Ende eines Wolkenkratzerviertels, bis nur noch ein paar übrig waren. Und als er zwischen den Stämmen der letzten Ungetüme hinsah, machte Nirgal wieder kurz halt. Auf der anderen Seite der schmalen Lichtung war der Canyon durch eine Mauer aus Wasser versperrt. Eine wahre Wand aus Wasser füllte den Canyon bis zum Rand und hing über ihnen als eine glatte, transparente Masse.
Ein Staudamm. Man hatte kürzlich angefangen, sie aus durchsichtigen Folien aus Diamantengittern zu bauen, die in ein Betonfundament eingelassen waren. Nirgal sah, wie dies hier an beiden Canyonwänden nach unten verlief und quer über den Boden des Canyons als eine dicke weiße Linie.
Die Wassermasse stand über ihnen wie die Seite eines großen Aquariums, trübe in Nähe des Bodens, wo Wasserpflanzen im dunklen Schlamm schwebten. Darüber huschte ein silberner Fisch, groß wie eine Antilope, zu der klaren Wand und zog sich dann in kristallische Tiefen zurück.
Die drei Antilopen sprangen vor dieser Barriere nervös vor und zurück. Ricke und Kitz folgten den raschen Wendungen des Bocks. Als die Jäger ihnen nahe kamen, stob der Bock plötzlich davon und krachte mit einem starken Schwung seines ganzen Körpers gegen die Wand. Sein Geweih war messerscharf. Bums - Nirgal erstarrte in Angst. Alle hielten bei dieser wilden Geste, die geradezu menschlich hätte sein können, inne. Aber der Bock prallte zurück und torkelte. Dann wandte er sich um und griff sie an. Bolakugeln wirbelten durch die Luft, die Leine wickelte sich dicht über dem Fesselgelenk um seine Beine, und er stürzte nach vorn zu Boden. Einige Jäger drängten sich um ihn; andere erlegten Ricke und Kitz mit einem Hagel aus Steinen und Speeren. Ein schriller Schrei brach jäh ab. Nirgal sah, wie die Kehle der Ricke durch ein
Weitere Kostenlose Bücher