Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
Rosenbüsche aus Furcht vor einem weiteren Vorfall. Aber man konnte die Rosen an der Corniche von überall her sehen, bis hin zur Küstenmauer. Und sie standen fast immer in Blüte. In dieser Hinsicht waren Rosen erstaunlich. Und einmal, als das gleiche Licht des Nachmittags sich über den Hellespont ergoß und nach Westen hin allem eine gewisse Unscharfe verlieh und zu matten Pastelltönen verdunkelte, fiel ihr Auge auf die nadelstichgroßen roten Punkte der Rosen in der Hecke. Sie ging auf der Küstenmauer, sah auf der einen Seite das Muster der Gischt auf dem schwarzen Wasser und auf der anderen Seite die Rosen und das aufragende Odessa. Sie blieb stehen, durch irgend etwas in dem doppelten Anblick aufgehalten, durch eine Erkenntnis, fast an der Grenze einer Offenbarung. Sie fühlte, daß eine große Wahrheit an ihr zerrte. Knapp außerhalb von ihr oder im Innern ihres Körpers - in ihrem Schädel, aber außerhalb ihrer Gedanken. Es drückte auf die das Gehirn umschließende harte Haut. Alles war erklärt und endgültig deutlich geworden...
    Aber die Offenbarung schaffte es nicht durch die Schranke. Nur ein Gefühl, neblig und riesengroß. Dann verging der Druck auf ihren Geist, und der Nachmittag nahm seine gewöhnliche zinnähnliche Farbe an. Sie ging heim mit einem Gefühl des Ausgefülltseins. Ozeane von Wolken in der Brust, bereit zu bersten von etwas wie Frustration oder einer Art ängstlicher Freude. Sie erzählte Michel wieder, was geschehen war, und er nickte. Auch dafür hatte er einen Namen:
    »Presque vu.« Beinahe gesehen. Er sagte: »Davon habe ich eine Menge.« Mit seiner charakeristischen Miene geheimer Sorge.
    Aber alle diese symptomatischen Kategorien schienen für Maya nur das zu kaschieren, was wirklich in ihr vorging. Manchmal war sie sehr verwirrt. Manchmal glaubte sie Dinge zu verstehen, die es gar nicht gab. Manchmal vergaß sie Dinge für immer. Und manchmal war sie sehr verstört. Und das waren die Dinge, die Michel mit seinen Namen und Kombinationen zu erklären versuchte.
     
    Fast gesehen. Fast verstanden. Und dann zurück in die Welt von Licht und Zeit.
    Und da gab es nichts anderes als weiterzumachen. Also machte sie weiter. Es vergingen genug Tage, und sie konnte vergessen, was für ein Gefühl es gewesen war, wie ängstlich sie gewesen war oder wie nahe der Freude. Es war seltsam, daß man so leicht vergessen konnte. Einfach leben in la vie quotidienne, und achtgeben auf das alltägliche Leben mit seiner Arbeit, den Freunden und Besuchern.
    Unter den Besuchern waren auch Charlotte und Ariadne, die von Mangala kamen, um sich mit Maya über die schlechter werdenden Beziehungen zur Erde zu beraten. Sie gingen zum Frühstück an die Corniche und sprachen über Belange von Dorsa Brevia. Die Leute von Dorsa Brevia waren trotz der Tatsache, daß die Minoer die Koalition des Freien Mars verlassen hatten, weil ihnen unter anderem deren Versuch nicht zusagte, die Siedlungen auf den äußeren Satelliten zu dominieren, zu der Ansicht gekommen, daß Jackie hinsichtlich der Einwanderung recht hatte, zumindest in gewissem Umfang.
    »Es ist nicht so, daß der Mars sich seiner Aufnahmefähigkeit für Menschen auch nur ansatzweise nähern würde«, sagte Charlotte. »Da irren sie sich. Wir könnten den Gürtel enger schnallen und die Städte dichter gestalten. Und in diesen neuen schwimmenden Städte auf dem Nordmeer ließen sich eine Menge Leute unterbringen. Sie sind ein Zeichen dafür, wie viele mehr hier leben könnten. Sie haben praktisch keinen Einfluß, außer in gewissem Sinne auf Hafenstädte. Aber es gibt Platz für noch mehr Hafenstädte, zumindest am Nordmeer.«
    »Für viel mehr«, sagte Maya. Trotz des Eindringens von Terranern liebte sie es nicht, immigrantenfeindliches Gerede in jeglicher Form zu hören. Aber Charlotte war wieder im Exekutivrat und hatte seit Jahren eine enge Beziehung zur Erde gepflegt. Darum fiel es ihr schwer zu sagen:
    »Es geht nicht um die Zahlen. Es kommt darauf an, wer sie sind und was sie glauben. Die Schwierigkeiten mit der Assimilation werden wirklich ernst.«
    Maya nickte. »Ich habe auf dem Schirm darüber gelesen.«
    »Ja. Wir haben auf jedem uns bekannten Wege versucht, Neuankömmlinge zu integrieren; aber sie ballen sich natürlich zusammen, und man kann sie nicht einfach aufbrechen.«
    »Nein.«
    »Aber es tauchen so viele Probleme auf. Es hat Fälle von Sharia, dem einfach ausgeübten islamischen Recht gegeben, Inzest, streitsüchige ethnische

Weitere Kostenlose Bücher