MARS (XUN Ebook-Edition) (German Edition)
Licht, sondern etwas, das viel intensiver strahlt. Hier können wir auch ganz normal gehen. Die Luft ist sehr gut, ich kann endlich wieder aufatmen. Nyrd macht einige Schritte nach rechts und schon stehen wir vor einer kleinen Stahltür. Er fummelt etwas Langes, Metallisches aus seinem Rucksack und bearbeitet damit die Tür. Nach einigen Versuchen macht es „Klick“ und die Tür lässt sich einen Spalt breit aufschieben. Das Licht flutet sofort den ganzen Schacht. Es scheint sich zu vermehren und dringt dabei in die kleinsten Winkel vor. Alles erscheint plötzlich viel gesünder und attraktiver; selbst die alten Steinmauern glänzen in diesem fremdartigen Kaleidoskop wie frisch gemauert. Ob es Kristalle sind, die so glitzern, weiß ich nicht. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass die Lichtquelle etwas Einzigartiges sein muss. Und so ist es auch. Direkt hinter der Tür öffnet sich ein weiter, hoher Raum, in dessen Mitte eine zylindrische, halbdurchsichtige Haube steht, durch die das Licht nach außen dringt. Nyrd geht ein wenig nach vorn und steht schon direkt vor einem Terminal mit rätselhaften Schriftzeichen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Er gibt einen Code ein und schon beginnt es: der Zylinder klappt auseinander, das Licht wird unerträglich hell; überall funkelt und blitzt es. Ich fühle mich wie in einer dieser virtuellen Welten, in denen die Marsianer vor der Realität fliehen, aber das hier ist Realität! Ich muss bestimmt eine halbe Minute lang stark blinzeln, um das alles überhaupt aushalten zu können. Nyrd dagegen steht nur ruhig neben mir und nimmt eine gerade, unbewegte Haltung ein. Er ist ganz in sich gekehrt. Sehe ich da etwa ein Lächeln auf seinen Lippen? Dieses Licht! Nach einer Minute kann ich direkt hinein schauen und werde sofort dafür belohnt. Wärme breitet sich in meinem ganzen Körper aus, meine Glieder erstarken und meine Schmerzen vom beschwerlichen Hinweg werden mir innerhalb weniger Sekunden genommen. Auch ich bin nun ganz ruhig und warte gespannt auf das, was kommt. Aber es tut sich nichts. Es ist nur das Licht, das sich in meinem Geist ausbreitet. Es scheint von einer Art Kristall herzukommen, einem sehr großen, etwa drei Meter hohen Kubus, der mitten in die Erde hineingepfropft worden ist.
„Das“, sagt Nyrd, „ist Ychton.“
„Ychton?“
„Das Element, nach dem alle suchen.“
„Aha?“
„Du wirst es noch kennen lernen. Bleib ein paar Minuten hier stehen, ich habe noch etwas zu erledigen.“
Er entfernt sich und selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihm nicht mehr folgen können. Ich stehe wie verwurzelt vor dem Kristall und starre ihn an. Seine Erhabenheit wirkt vollkommen. Ich blinzle noch ein paar Mal und erkenne, dass feine Kanten in den Kristall geschleift wurden. Kaum zu erkennen, aber von einer Perfektion, die ihresgleichen sucht. Auch meine ich, Zeichen zu erkennen, die grünlich und bläulich auf der Oberfläche widerschimmern. Ich weiß natürlich nicht wo ich bin, weiß nicht, ob ich jemals wieder hier wegkomme, aber es reicht mir auch einfach nur, hier zu sein. Ich bin mir selbst genug, mein Körper fühlt sich an, als ob er schwebt. Nichts Materielles bindet mich jetzt noch an den Mars. Ich kann fühlen, dass es eine höhere Bestimmung für uns geben muss, als dieses tägliche Schuften und das kleinkarierte Geldverdienen, auf das die meisten so einen großen Wert legen. Das hier, das ist etwas vollkommen anderes. Es ist majestätisches Licht, eine höchst souveräne Installation, die dem Betrachter sofort jegliche Argumente raubt. Das Licht dringt in mich ein, kontrolliert mich, aber ohne aufdringlich zu sein. Ich kann mich immer noch frei entscheiden, aber mein Bewegungsradius ist sowieso schon determiniert. Ich werde hier stehen bleiben, bis Nyrd zurückkehrt. Oder bis ich tot umfalle. Egal. Diese Erfahrung ist es wert. Nach einer gefühlten halben Minute kommt Nyrd wieder und sagt mir, dass ich bereits zwanzig Minuten im Schein von Ychton zugebracht habe.
„Genug Zeit, um dich vorzubereiten.“
„Vorzubereiten?“ frage ich. „Worauf?“
„Auf deine Rückreise.“
„Aber du kommst doch mit!“
„Nein, das werde ich nicht. Meine Mission ist hiermit erfüllt.“
„Mission? Ich … verstehe nicht.“
„Das wirst du, das wirst du. Glaub mir.“
Und damit löst er sich in Luft auf!
Völlig verdutzt bleibe ich zurück, das Licht scheint immer noch direkt in mein Hirn, vermittelt mir jetzt auch Informationen –
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