Marschfeuer - Kriminalroman
Knebel ihm recht. »Ihr habt ihn euch alle verdient …
Moment, Moment«, schob er nach und nagelte alle mit einer beschwichtigenden
Handbewegung auf ihren Plätzen fest. »Bevor ihr jetzt alle aufspringt, möchte
ich noch eine Einladung aussprechen. Meine liebe Elke hat gesagt, wenn der Fall
gelöst ist, sollt ihr alle zum Grillen zu uns kommen.«
»Ich dachte, wir
betrachten den Fall erst als gelöst, wenn die Nordsee Lindmeirs Leiche
ausgespuckt hat?«, gab Lyn zu bedenken.
»Jetzt darf Meier
entscheiden, wann der Fall als abgeschlossen gilt«, antwortete Wilfried. »Wir
haben getan, was wir konnten und durften. Also können wir auch jetzt
abschlussgrillen.« Er grinste. »Ich hatte Elke ja ein Fisch-Büfett
vorgeschlagen, aber das fand sie gar nicht witzig.«
»Könnte ich jetzt auch
noch nicht drüber lachen«, grummelte Karin. »Gilt die Einladung mit oder ohne
Partner?«
»Natürlich mit «, antwortete Wilfried. »Also, am Samstag bei uns. Wer
kommt zu zweit? Wer allein? Elke killt mich, wenn ich nicht genug Grillwürste
besorge.« Er kramte einen Zettel aus seiner Mappe.
Thilo hob kommentarlos
zwei Finger in die Luft, und Wilfried krakelte zwei Striche auf den Zettel.
Jochen Berthold winkte
ab. »Danke. Wir haben am Samstag keine Zeit.«
»Ich bringe Axel mit«,
sagte Karin.
»Und du, Hendrik«,
fragte Wilfried Knebel mit Blick über die Brille, »kommst du allein oder in
Begleitung?«
Lyn starrte einen Punkt
an der Wand an, als Hendrik sich kurz zu ihr umdrehte, bevor er seinem Chef
ernst antwortete: »Wie es aussieht, komme ich allein.«
»Genau wie ich«, flötete
Barbara dazwischen.
»Wie sieht’s bei dir
aus, Lyn? Kannst du kommen?« Wilfried sah sie fragend an, nachdem er den sechsten
Strich gemacht hatte. »Du darfst auch gern deine Töchter mitbringen.«
»Das ist lieb, aber die
Mädchen werden mit Sicherheit nicht mitkommen wollen. Aber ich komme gern.« Lyn
atmete tief durch. »In Begleitung.«
»Oh, là, là«, stieß
Thilo aus und sah sie– wie alle anderen– neugierig an, »davon wussten wir ja
noch gar nichts.«
»Das geht uns ja auch
nichts an«, sagte Wilfried, nickte Lyn lächelnd zu und zog für Lyn einen
zweiten Strich.
»Den Strich kannst du
wieder wegmachen, Wilfried«, sagte sie und spürte, wie ihre Wangen zu brennen
begannen. »Du … du hast seinen Strich schon gemacht.«
Sie blickte in die
ratlosen Gesichter. »Ich komme mit Hendrik.«
Jetzt war es raus. Noch
einmal durchatmend, sah sie von ihren Kollegen, die in kollektives Schweigen
verfallen waren, zu Hendrik.
»Na endlich.« Glücklich
von Ohr zu Ohr lächelnd, griff er nach Lyns Hand und drückte einen Kuss darauf.
»Nee!«, brach es aus
Thilo Steenbuck heraus. »Nee! Das glaub ich jetzt nicht.« Er warf sich mit
seinem Oberkörper auf den Tisch und starrte von Lyn zu Hendrik. »Ihr wollt uns
doch verarschen.«
»Nein, wollen wir
nicht«, sagte Hendrik schlicht, beugte sich zu Lyn und gab ihr einen Kuss.
Lyn merkte selbst, dass
sie von einem Ohr zum anderen grinste. Und das lag an diesem wohligen Gefühl tiefster
innerer Zufriedenheit und Erleichterung. Und nicht an dem noch immer offen
stehenden Mund von Praktikanten-Barbie. Selbstverständlich nicht.
»Ja, na dann, wenn das
so ist … also …« Wilfrieds Stammeln verriet, dass er mit der Situation
überfordert war. »Ich …«
Er stockte, weil die Tür
des Besprechungszimmers aufgerissen wurde. Staatsanwalt Meier blieb im
Türrahmen stehen und nickte anerkennend. »Wie beispielhaft, es wird– entgegen
meiner Annahme– tatsächlich noch gearbeitet.«
Auf Wilfrieds Stirn
erschien eine Unmutsfalte. »Wir sind noch so im Arbeitseifer, dass wir Ihr Klopfen überhört haben müssen.«
Meiers Augenbraue ruckte
hoch, er sagte aber nichts. Stattdessen trat er vor, warf eine Handvoll DIN-A 4-Zettel auf den Tisch und zog sich einen Stuhl heran. »Ich sag Ihnen
was: Tote Mörder, deren Leiche niemand gesehen hat, sind mir, genau wie Ihnen,
ein Graus. Lindmeirs Gesicht schlängelt sich wie ein Bandwurm durch meine
Hirnwindungen. Ich werde ihn nicht los. Und da er mir schon den Schlaf raubt,
habe ich die Zeit genutzt und ein wenig gegoogelt.« Er zog sich einen
unbenutzten Becher heran und griff nach der Kaffeekanne.
Lyns stille Freude, dass
nur noch zwei Tropfen herauskamen, schlug unmittelbar in Ärger um, als Meiers
Blick zwischen ihr und Karin Schäfer wechselte. »Haben die Damen noch irgendwo
einen Kaffee?«
Karin lächelte ihn an.
»Leider nein. Frau
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