Marschfeuer - Kriminalroman
können?«
»Da fällt uns schon was
ein«, sagte Hendrik und trat neben den Geschäftsführer an das große Fenster. Er
deutete auf das Dock. »Liegt da unter der Abdeckung die Jacht, von der in der
Norddeutschen Rundschau berichtet wurde?«
Lindmeir nickte. »Die ›a
rainha‹. Die Jacht eines brasilianischen Milliardärs. Unser ganzer Stolz. In
der jahrzehntelangen Jachtbaugeschichte der Jacobsen-Werft ist sie die
Krönung.« Er lächelte. »Wie es einer rainha gebührt.«
Als Hendrik fragend die Augenbraue hob, erklärte Paul Lindmeir: » ›Rainha‹ ist portugiesisch und heißt Königin.«
»Die Wewelsflether
Schiffswerft hat Ihnen vor ein paar Jahren Konkurrenz gemacht«, hakte Lyn ein.
»Eine der größten Luxusjachten der Welt wurde dort gebaut, wenn ich mich nicht
täusche. Da gibt es doch bestimmt heiße Kämpfe zwischen Ihnen, noch dazu, wo beide
Werften so dicht beieinanderliegen?«
Paul Lindmeir schürzte
die Lippen. »Die Nähe der Werften spielt keine Rolle. Jede Werft bedeutet
Konkurrenz. Und den Auftrag der Wewelsflether hätten wir sowieso nicht
ausführen können. Die Stör ist dort nun einmal breiter und lässt zu, dass
größere Schiffe vom Stapel laufen.« Er drehte sich wieder um und deutete zum
Dock. »Dort liegen sechzehn mal neunzig Meter Luxus pur. Die Jacht gehört
vielleicht nicht zu den Top Ten der längsten Jachten der Welt, aber mit
Sicherheit zu den modernsten.«
»In der Zeitung stand,
dass sie sogar einen Hubschrauberlandeplatz und einen Pool an Deck hat?«,
fragte Hendrik.
Paul Lindmeir nickte.
»Damit verrate ich kein Geheimnis. Kino, Wellnessbereich, Bibliothek,
Speisesaal, diverse Gästezimmer, alles vorhanden. Mehr als drei Jahre haben wir
für die Fertigstellung benötigt. Spezialisten aus ganz Europa waren hier, haben
Feinstarbeit geleistet. Mit kostbarstem Holz, Marmor und edlen Metallen wurde
ein Meisterstück geschaffen.« Der Klang seiner Stimme belegte, dass sich damit
der Traum eines jeden Schiffbauers erfüllt hatte.
»Und jetzt stehen wir
kurz vor der Auslieferung«, fuhr er fort, »die letzte Probefahrt für die ›a
rainha‹ findet nächste Woche statt. Die brasilianischen Offiziere der Jacht
treffen am Wochenende hier ein, die Stamm-Crew folgt.«
»Wer ist der
Milliardär?«, fragte Hendrik.
Paul Lindmeir schüttelte
den Kopf. »Kein Kommentar. Wir mussten uns vertraglich verpflichten, keinen
Namen zu nennen. Er heißt bei uns ›der Brasilianer‹. Er selbst ist nur einmal
hier gewesen, um sich das Endprodukt anzusehen. Letzten Monat.«
»Und? Hat die
Beidenflether Schiffbaukunst ihn überzeugt?«, fragte Hendrik.
»Er war nicht sehr
gesprächig«, antwortete Lindmeir. »Aber da in der vergangenen Woche eine
Einladung für …«, er zögerte kurz, » …für Hinrich Jacobsen und mich kam, die
Jungfernfahrt nach Salvador da Bahia zu begleiten, gehe ich davon aus, dass er
zufrieden ist.« Stolz schwang in seiner Stimme mit.
»Werden Sie die Reise
antreten?«, fragte Lyn.
Er sah sie mit festem
Blick an. »Hinrich hatte nicht vor, die Einladung anzunehmen. Ich war schon in
Versuchung. Aber in Anbetracht der Umstände … Ich kann die Werft jetzt nicht verlassen.
Und Margarethe braucht meinen Beistand. Die Beerdigung muss vorbereitet
werden.«
»Nun gut«, sagte Lyn und
stand auf. »Wir würden jetzt gerne einen kleinen Rundgang starten, Herr
Lindmeir. Haben Sie einen Mitarbeiter frei, der uns führen kann?«
Der Geschäftsführer der
Werft drückte einen Knopf seiner Telefonanlage. »Frau Drochtersen, piepen Sie
bitte Herrn Borchert an. Er soll in mein Büro kommen.« Er warf einen Blick auf
seine Armbanduhr. »Ich habe gleich noch einen Termin mit unserem Betriebsratsvorsitzenden.
Aber Hanno Borchert bringt sie dahin, wo auch immer sie hinwollen. Er ist unser
Faktotum. Mädchen für alles. Schauen Sie sich um, wenn Sie sich etwas davon
versprechen. Alle Türen unserer Werft stehen Ihnen offen. Wir haben nichts zu
verbergen.«
»Wie ist denn Herr
Lindmeir so als Chef, Herr Borchert?«, fragte Lyn, während der Mittfünfziger
sie und Hendrik über das Gelände führte.
Hanno Borchert fühlte
sich in Begleitung der Kriminalbeamten sichtlich unwohl. Seine Hände strichen
unentwegt über seinen Blaumann. »Jo, dat passt schon. Der ist hier ja selber
mal klein angefangen. Der weiß, wovon er redet und wie der Hase läuft. Dem
macht man nix vor.«
»Und wie ist er so als
Mensch?«
Hanno Borchert hob die
Schultern. »Da hätten wir’s schlechter
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